Jesuiten 2019-2

14 JESUITEN n JUNI 2019 n KIRCHE DER FRAUEN SCHWERPUNKT Die Zukunftsvision einer Frau für ihre Kirche Frauen werden in der katholischen Kirche behandelt, als seien sie ein hoch gefährliches, gerade erst entdecktes Gefahrengut. Immer neue Kommissionen untersuchen ausdauernd, was es mit diesen anderen, vom Mann abweichenden Wesen auf sich hat. Das Ergebnis ist immer dasselbe: Das Wesen ist der Weihe nicht würdig. Gleichwertig, aber nicht gleichartig, lautet die Lehrformel. Wer dennoch die Gleichberechtigung in Ämtern fordert, bekommt Vorwürfe von der Sorte zu hören: Kniefall vor dem Zeitgeist! Verrat am katholischen Markenkern! Ungehorsam gegenüber Jesus Christus und seinen Stellvertretern. Tote Frauen wie Hildegard von Bingen und Maria Magdalena kommen zu höchsten Ehren. Sie werden Kirchenlehrerin und Apostelin der Apostel mit eigenem Feiertag. Maria, die Gottesmutter, stehe ohnehin höher als jeder Bischof, erklärt Papst Franziskus bei vielen Gelegenheiten. Lebende Katholikinnen haben es deutlich schwerer. Auch wenn in lehramtlichen Dokumenten Päpste und Präfekten der Glaubenskongregation die Gleichwürdigkeit und Gleichwertigkeit der Frau betonen: Das Misstrauen, ja die Verachtung gegenüber den „anderen Wesen“ sitzt im hohen Klerus tief. In modernen Demokratien folgen aus gleicher Würde die gleichen Rechte. Doch die katholische Kirche ist keine Demokratie, sie positioniert sich gegen die Moderne, sie will nicht von dieser Welt sein. Wahrheit ist nicht Mehrheit, lautet eine Weisheit von Joseph Ratzinger und seinen Jüngern. Was in einem weltlichen Kontext – etwa vor dem Hintergrund von Artikel 3 des Grundgesetzes – Diskriminierung aufgrund des Geschlechts genannt werden muss, wird in der Una Sancta als „wahre Gleichheit“ der Geschlechter verbrämt. Man stelle sich nur für einen Moment vor, die katholische Kirche ließe tatsächlich vom nächsten Sonntag an die bisher ausgeschlossene Hälfte der Menschheit zu allen Ämtern und Diensten zu. „Das wäre die Spaltung!“, riefen dann die Pessimisten. Sie verweisen auf die Weltkirche, auf die kulturellen Unterschiede in dieser globalen Institution, auf die Länder in Afrika, die „noch nicht so weit sind“. Die Optimisten dagegen dürften jubeln: „Was für ein Zeichen!“ Endlich kuscht die katholische Kirche nicht mehr vor den Patriarchen dieses Planeten, endlich passt sie sich nicht mehr dem global dominierenden Macho-Zeitgeist an, endlich redet sie nicht mehr Benachteiligung als göttliches Gebot schön. Es ist schwer, sich im Kirchenrecht unter der Ziffer 1024 den Satz: „Die Heilige Weihe empfängt gültig eine getaufte Person“ statt „ein getaufter Mann“ vorzustellen.

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