Jesuiten 2019-4

Jesaja ist nicht nur ein Prophet gewesen, sondern wurde zu einer ‚Marke‘. 13 eindrucksvollen Bildern vor Augen: „Euer Land ist verwüstet, eure Städte sind feuerverbrannt. Fremde verzehren vor euren Augen den Ertrag eures Ackers.“ (Jes 1,7) Die Ungerechtigkeit und Skrupellosigkeit der Führungsschicht klagt er an, indem er die Zustände lebendig werden lässt: „Deine Fürsten sind Aufrührer und eine Bande von Dieben, ein jeder liebt Bestechung und jagt Geschenken nach. Dem Waisen verschaffen sie kein Recht und der Rechtsstreit der Witwe gelangt nicht vor sie.“ (Jes 1,23) Für die Motive seiner poetischen Prophetie greift der Verfasser auf die große Vielfalt an Themen, Bildern und Vorstellungen zurück, die die Tradition ihm bietet. Er kombiniert Bekanntes neu, um die Botschaft seiner Worte so überzeugend wie möglich zu vermitteln: „Warst du es nicht, der das Meer austrocknen ließ, die Wasser der großen Flut, der die Tiefen des Meeres zum Weg gemacht hat, damit die Erlösten hindurchziehen konnten? Die vom Herrn Befreiten kehren zurück und kommen voll Jubel nach Zion.“ (Jes 51,10-11a) Wie transparente Bilder legen sich bekannte Vorstellungen übereinander, der Auszug aus Ägypten wird zum Weg aus dem babylonischen Exil, der durch das Schilfmeer nun direkt zurück zum Zion führt. Zion-Jerusalem wiederum ist im ganzen Jesajabuch der Ort, an dem Gott wohnt, und zugleich die Frau, zu der Gott hält: Tochter Zion, Mutter Zion, Verlassene und Braut. Jesaja als poetischer Prophet mischt hier die Vorstellung einer Stadt und einer Frau, verbindet Bekanntes mit Neuem – das alles, um große Gefühle zu wecken, Wut und Verlassenheit (Jes 49,14), Angst und Scham (Jes 54,4.9) und schließlich Freude und Vertrauen auf Gott (Jes 61,10). Dies sind natürlich nur Ausschnitte aus dem Jesajabuch, das über mehrere Jahrhunderte hinweg entstanden ist. Jesaja ist folglich nicht nur ein Prophet gewesen, sondern wurde zu so etwas wie einer ‚Marke‘, die sich bewährt hat – während der gut vier Jahrhunderte, in denen das Jesajabuch angewachsen ist, und auch während vieler weiterer Jahrhunderte, in denen Jüd_innen und Christ_innen das Jesajabuch als Teil ihrer heiligen Schriften gehört und gelesen haben. Als poetischer Prophet wirbt Jesaja für seinen Gott, will gewinnen und überzeugen, Hoffnung und Vertrauen wecken – mit Worten, die in ihrer poetischen Fülle und Tiefe Raum für eigene Erfahrungen schaffen, und so ihre Botschaft eindrucksvoll vermitteln: Gott rettet, Gott hält zu seinem Volk. Uta Schmidt JESUITEN n DEZEMBER 2019 n THEO:POESIE

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