Jesuiten 2019-4

Love, God, Murder Eine sehr beliebte, noch junge Kollegin ist vollkommen unerwartet verstorben. Wenige Tage später versammelt sich die trauernde Schulgemeinde zu einer Andacht im Dom. Erinnert wird an das schulische Wirken der Verstorbenen. In die große Betroffenheit hinein erklingt am Ende des Gottesdienstes die tiefe Stimme des Countrysängers Johnny Cash (19322003): Ain´t no grave can hold my body down! Geradezu trotzig formuliert Cash – der Man in Black – seinen Glauben an eine Auferstehung. Beim Signal der Trompete steigt der Verstorbene aus dem Grab, wird beim Aufstieg in den Himmel von einer Schar Engel begleitet, begegnet dem Erzengel Gabriel, dann Jesus und schließlich den eigenen Eltern. Ein schönes und ein trostreiches Bild, der berührende Schlussakkord eines bewegenden Schulgottesdienstes – entfaltet im eindrucksvollen Gesang des sterbenskranken Johnny Cash. „Wer wissen möchte, was es bedeutet, ein Mensch zu sein“, so hat es Bob Dylan einmal in Anlehnung an das biblische Ecce Homo ausgedrückt, „braucht nichts weiter zu tun, als dem Man in Black zuzusehen. Wenn man ihn hört, wird man immer zur Besinnung gebracht.“ Das beinahe rebellische Ansingen gegen die dunklen Seiten des Lebens zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben des Johnny Cash. Love, God, Murder sind seine Themen. Eine seiner berühmtesten Textzeilen: ‚I shot a man in Reno just to watch him die.‘ Durch alle persönlichen Krisen hindurch verkündet der Sohn evangelikaler Eltern die christliche Botschaft von der Gnade Gottes. Tausende Male und auf vielfältige Weise interpretiert er im Laufe seines Lebens den Hank-Williams-Klassiker ‚I saw the light‘. Es sind Cashs Erfahrungen von Dunkelheit – körperliche Schwerstarbeit, traumatisierende seelische Grausamkeit, Drogenabhängigkeit, Schicksalsschläge, künstlerischer Niedergang, spirituelle Anfechtungen und menschliche Abgründe –, die es ihm ermöglichen, den Traurigen, Ausgegrenzten, Gestrauchelten und Unterdrückten eine Stimme zu verleihen. Als Jugend- bzw. Schulseelsorger unterschiedlicher Generationen sind wir beide gleichermaßen berührt von der Musik und Spiritualität Johnny Cashs. Sein Leben und Werk wurden für eine Weile zu unserem Thema: Wir haben geforscht, miteinander diskutiert, um das Verständnis seiner Lyrik gerungen, die Ergebnisse unserer gemeinsamen Suche in Artikeln veröffentlicht und dabei besser verstanden, was es bedeutet, ein Mensch zu sein. Jürgen Brinkmann & Björn Mrosko SJ 20 SCHWERPUNKT JESUITEN n DEZEMBER 2019 n THEO:POESIE

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