Jesuiten 2019-4

EDITORIAL Liebe Leserinnen, liebe Leser, in der Advents- und Weihnachtszeit stehen Gedichte hoch im Kurs. Neben den Düften von Kerzen und Gebäck sind es wohl die Worte der Weihnachtsgedichte und -lieder, die uns in weihnachtliche Stimmung versetzen können. Passend dazu ist auch diese Ausgabe der Poesie gewidmet. In der Poesie ist Sprache mehr als nur beschreibend. Poesie eröffnet einen anderen Blick auf die Wirklichkeit, zeigt einen anderen Blickwinkel. Poetische Texte sprechen die Gefühle an, sie lassen Erinnerungen wach werden und Träume heranreifen. Poesie hat aber auch eine tiefe spirituelle Dimension. Aus der jüdisch-christlichen Tradition kommen mir zuerst die Psalmen in den Sinn. Aber auch in nachbiblischer Zeit ist es Männern und Frauen immer wieder gelungen, mithilfe der Poesie zu beten und mit Gott in Berührung zu kommen. Friedrich Spee SJ (1591-1635) ist uns mit seinen Texten aus dem „Gotteslob“ vertraut. Ein weiteres Beispiel aus den Reihen der Jesuiten ist Alfred Delp SJ (1907-1945), der in den Weihnachtstagen vor 75 Jahren in der Haftanstalt Berlin-Tegel auf seine Hinrichtung wartete und uns aus dieser Zeit faszinierende und berührende Texte hinterlassen hat. Seine „Vigil von Weihnachten“ – im Angesicht des Todes geschrieben – endet mit dem fesselnden Satz: „Lasst uns dem Leben trauen, weil diese Nacht das Licht bringen musste. Lasst uns dem Leben trauen, weil wir es nicht allein zu leben haben, sondern Gott es mit uns lebt.“ In dieser Ausgabe von JESUITEN können Sie vielfältige Wege entdecken, wie Poesie einen Zugang zu Gebet und Gott eröffnet – ob als Hilfe der Theologie, im eigenen Gebet oder durch die Resonanz, die Worte in uns auslösen. Von verschiedenen Seiten nähern sich die Autor_innen dem Phänomen: wissenschaftlich, alltäglich, persönlich, spirituell… Vielleicht mag die Lektüre dieses Heftes – für dessen redaktionelle Betreuung ich Fabian Moos SJ, Clemens Kascholke SJ und Dag Heinrichowski SJ herzlich danke – auch in Ihnen eine Resonanz auslösen, Ihnen Begegnungen mit unbekannten Poet_innen ermöglichen, Sie zum Gebet animieren oder vielleicht sogar dazu, selbst den Stift in die Hand zu nehmen und ein paar Zeilen zu Papier zu bringen. Für Ihre Verbundenheit mit uns Jesuiten danke ich Ihnen von Herzen und wünsche Ihnen und Ihren Familien und Angehörigen ein frohes, gesegnetes und friedvolles Weihnachtsfest. „Lasst uns dem Leben trauen, weil Gott es mit uns lebt.“ Ihr Johannes Siebner SJ, Provinzial der Deutschen Provinz der Jesuiten Johannes Siebner SJ 1 JESUITEN n DEZEMBER 2019 n THEO:POESIE

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