Jesuiten 2020-3

Diese Anerkennung trifft mich wie ein Schlag. Sie macht etwas mit mir, ich spüre, wie mir das Herz aufgeht. Meine Rolle: ich selbst. Die von Vincent: ein Wesen der Zukunft, sieben Generationen später. Wovon erzähle ich hier? Ich bin in einer Gruppe von etwa 30 Theologie- und Philosophiestudierenden aus Paris. Wir nehmen an einem mehrtätigen Workshop des „Work that reconnects“ teil. Diese Art von „Ökopsychologie“ wurde von der Amerikanerin Joanna Macy entwickelt. In unzähligen Workshops mit Friedens- und Ökoaktivist*innen hat sie ein bestimmtes Repertoire an Übungen entwickelt, die helfen, die Verzweiflung, die Frustration und all die anderen negativen Gefühle angesichts der katastrophalen Lage der Welt zu „kompostieren“, d.h. so da sein zu lassen und in einer wohlwollenden Atmosphäre zum Ausdruck zu bringen, dass daraus neue positive Energie wird. Es geht aber auch um mehr: eine Veränderung des Blicks auf die Welt, hin zu einer stärkeren Verbundenheit mit den Mitmenschen und der Schöpfung. Der Parcours erinnert mich an die Phasen der ignatianischen Exerzitien, mit dem Unterschied, dass sie in Gemeinschaft gemacht werden. Das ist zentral, um der Isolierung entgegenzuwirken, die viele Aktiven so deutlich spüren. Die Gruppe trägt, aber ohne irgendein Ergebnis aufzuzwingen. Es ist auch wie bei Exerzitien nicht sinnvoll, den Prozess theoretisch verstehen zu wollen – man kann ihn lediglich selbst durchlaufen, und zwar dann und nur dann, wenn es „dran“ ist. Christ*innen, andere Gläubige, religiös Suchende und Konfessionslose können sich in diesem Rahmen begegnen und austauschen. Die rasant wachsende Gruppe von Menschen allen Alters, die sich für einen tiefgreifenden Wandel der Gesellschaft einsetzen, steht vor einer Mammutaufgabe, die zutiefst spirituell und zutiefst politisch ist. Wie soll man da keine Angst empfinden, sich nicht über vieles ärgern, nicht mit Gott und der Welt hadern? Die größte Freude für mich als Christ ist, wenn die „Apokalypse im Nacken“ zu einer „Apokalypse am Horizont“ wird – der Erwartung von etwas Neuem, Großem, zu dessen Realisierung Gott mich und andere einlädt. Auch diese Zukunft wird nicht der Himmel auf Erden sein – aber vielleicht ein Stück mehr vom Reich Gottes durchdrungen. Fabian Moos SJ 9 JESUITEN n SEPTEMBER 2020 n APOKALYPSE

RkJQdWJsaXNoZXIy MjIwOTIwOQ==