Jesuiten 2020-3

5 JESUITEN n SEPTEMBER 2020 n APOKALYPSE Die Apokalypse hinter den Kulissen Klimaveränderungen und Landwirtschaft Der Pillnitzer-Hungerstein in der Elbe bei Dresden, der bei niedrigem Wasserstand auftaucht, zeigte sich in den vergangenen 150 Jahren sechs Mal: 1873, 1904, 2003, 2018, 2019, 2020. Bis ca. 1960 bedeutete das Auftauchen des Steines eine Hungersnot im Land – die Temperaturen und der Wassermangel haben u.a. massive Folgen für den Zustand der Böden in der Landwirtschaft. Heute haben wir Welthandelsnetze, die uns die Notlage im Augenblick nicht mehr spüren lassen. Doch der Eindruck täuscht. Das Klima in Europa verändert sich. Eigentlich hat die Natur eine hohe Resilienz entwickelt, so dass sie normalerweise sehr flexibel auf verschiedenste Einflüsse und Umstellungen reagieren könnte. Bei höheren Temperaturen würde etwa der Boden einfach andere Pflanzen hervorbringen. Dank seiner Regenerierungsfähigkeit würde er ertragreich bleiben. Die Landwirte könnten dem Boden helfen, je nach Wetter und Nährstoffgehalt die entsprechenden Pflanzen hervorzubringen. Leider hat der Boden in den letzten Jahrzehnten den größten Teil seiner natürlichen Resilienz und Regenerierungsfähigkeit verloren. Durch die Intensivierung der Produktion hat man ihn seit dem zweiten Weltkrieg einem Marathon ausgesetzt und ihn gleichsam nur mit Traubenzucker und Energieriegel gefüttert. Dies zwang den Boden, an seine Substanz zu gehen, und so hat er in den letzten 25 Jahren weltweit um 24% abgebaut. Wenn der Substanzabbau einmal begonnen hat, geht er immer schneller weiter. Laut UNO geht der Verlust von aufnahme- und leistungsfähigem Ackerland heute bereits 3035 Mal schneller als früher. Wenn Menschen selbst keine Nahrung mehr zu sich nehmen können, bringt man sie auf die Intensivstation und ernährt sie künstlich an der Maschine. Dies versucht man in vielfältiger Weise auch mit dem Boden. Man führt ihm künstliche Nährstoffe und vermehrt auch Wasser zu, da die inneren Komponenten, die diese normalerweise speichern könnten, degradiert sind. Die Landwirte sind gezwungen, dies zu tun. Denn nur so können die geforderten Erträge geerntet werden, um davon dann die Hälfte wegzuwerfen, weil das Gemüse z.B. für den Verkauf zu wenig rund, zu krumm, zu kurz, zu lang oder zu grün ist. Die Folgen des Klimawandels (und unserer Konsumkultur) auf die Landwirtschaft sind komplex. Doch das Beispiel der Böden zeigt, dass wir bereits heute in Europa unmittelbar von großen Veränderungen betroffen sind und dass absoluter Handlungsbedarf besteht. Martin Föhn SJ

RkJQdWJsaXNoZXIy MjIwOTIwOQ==