Jesuiten 2020-3

Bewusstseinsveränderung durch alle Generationen. Unser Vorteil als junge Menschen ist dabei, dass wir noch nicht so sehr im Hamsterrad gefangen sind. Auch weil viele von ihren Eltern materiell unterstützt werden. Und gleichzeitig werden immer mehr von uns depressiv angesichts all der schlechten Nachrichten. Da verstehe ich auch die ältere Generation und dich, euch eher auf das Naheliegende zu konzentrieren. Das trägt ja auch zum Gemeinwohl bei. Michael: Wenn ich wirklich an mich heranlasse, was dich und viele deiner Generation umtreibt, diese unvorstellbare Not und diese unsägliche Ungerechtigkeit im globalen Kontext, die auch mit uns verbunden ist, dann kann ich mit dieser Situation nicht wirklich gut umgehen. Es gibt ja schon so viel Not in meinem unmittelbaren Umfeld. Dabei ist mir klar, dass es jetzt eine konzertierte Reaktion der Weltgemeinschaft braucht, um die Katastrophe, auf die wir zusteuern, noch abzuwenden. In meinen Jugendjahren gab es die Angst, dass einer aus Machtgier den roten Knopf drückt und den nuklearen Tod für viele auslöst. Heute ist der rote Knopf der Klimakatstrophe schon gedrückt. Damals war klar, wen man verantwortlich machen kann und wen man beeinflussen muss. Heute sind wir alle aktiv beteiligt. Und in dieser Situation ist eine große Kraft von euch gefordert, die Hoffnung nicht aufzugeben. Clara: Es gibt ältere Menschen, die meinen, auf uns herabschauen zu können: Geht erstmal arbeiten! Und dann ist eine große Diskrepanz zu sehen, dass die Politik überwiegend von älteren Menschen bestimmt wird. Und wir werden als gutgläubig oder naiv abgetan. Michael: Als ihr euren Hungerstreik gegen die Bedingungen in den Lagern für Geflüchtete begonnen habt, haben viele gesagt: Ja ja, sowas ist das Recht der Jugend. Dabei gibt Euch die Faktenlage völlig recht und müsste uns alle mehr als beunruhigen. Clara: Aber hier bei uns spüren viele die Auswirkungen des Klimawandels noch nicht. Und deshalb denken sie, dass sie sich ihren eigentlich ungerechten Lebensstil verdient haben. Sie sind unfähig zu teilen mit den Geflüchteten, die aus Afrika vor deutschen Panzern fliehen oder in der Türkei in Lagern gehalten werden. Viele ältere Menschen sind es gewohnt, dass es ihnen in der Festung Europa gut geht – der Rest ist ihnen egal. Auch ältere Aktivisten wie „Omas gegen rechts“ werden da frustriert und verbittert. Es kann sich ein Gefühl der Lähmung breitmachen. Michael: Ich denke, es geht darum auszuhalten, dass der Einzelne nicht das Ganze verändern kann, und trotzdem nicht aufzugeben. Das ist die schwierige Herausforderung, in der wir stecken – in allen Generationen. 7 JESUITEN n SEPTEMBER 2020 n APOKALYPSE

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