Jesuiten 2020-4

Listening is loving „Du hörst mir ja gar nicht zu.“ Wie schnell kann das passieren: Eine WhatsApp-Nachricht wird angezeigt, oder etwas anderes, das unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, funkt dazwischen – und schon ist es vorbei mit dem aufmerksamen Hören. Dann gehen die Worte des Gegenübers an uns vorbei ins Leere. Das passiert ganz ohne böse Absicht. Möglicherweise gilt das auch für die Gottesbeziehung. Hören im Gebet? Wie geht das? Was muss ich tun, um „Gottes Stimme“ zu hören? Müssen wir eine neue Sprache lernen, wenn wir Gott hören und verstehen wollen? Eine junge Frau, auf der Suche nach ihrer Berufung und ihrer Lebensform sagt: „Ich hätte gerne eine klare Ansage von Gott, aber ich hör‘ nichts.“ Und wie muss ER zu Dir „sprechen“, dass Du hören kannst, frage ich zurück? Sie schweigt eine Weile, „weiß nicht“, antwortet sie. Wer hören will, in welcher „Sprache“ Gott spricht, der benötigt Stille, Schweigen und ein hörendes Herz. Der Alltagslärm überfordert. Wir können uns schlecht schützen vor dem, was zu laut, zu viel oder einfach unangenehm, unbequem zu hören ist. Wir haben Augenlider, aber keine Ohrenlider (Fulbert Steffensky). Nach biblischem Verständnis ist das Herz das Organ des Intellekts, wo alle Sinneswahrnehmungen zusammenlaufen, gespeichert und verarbeitet werden. Gott kommt uns durch die Sinne in den Sinn. Das erlebe ich immer wieder in der Begleitung von Exerzitien. Ein hörendes, fühlendes, sehendes, denkendes Herz, will ersehnt, erbetet sein. Ob wir uns im Alltag oder in Exerzitien zum Gebet sammeln, immer geht es darum, die Sinne zu öffnen und zu entschlacken von den Bildern und Vorstellungen, die wir uns von uns selbst und von Gott machen. Dieser Prozess ist bei den biblischen Menschen zu erleben und nicht minder bei uns heute. Gott selbst hat ein Herz für alles, was Atem hat. Gottes Stimme wird vielfach als sprachlos erfahren, als verschwebendes Schweigen (Martin Buber). Es kann auch wie ein Atemholen Gottes erlebt werden, das leicht überhört werden kann, ein „hauchdünnes Schweigen Gottes“ (Wilhelm Bruners). Gott kann schweigen aus Liebe und in Liebe (Zef 3,17) und wird oftmals nach langem Schweigen „hörbar“ und zwar so individuell, so spezifisch, wie es Menschen gibt. Gott kann im Schweigen sprechen, sanft und freundlich. Um Gottes Stimme von den eigenen Projektionen zu unterscheiden, braucht es Zeit, Übung und Geduld. Es ist wie ein inneres Erspüren einer Stimmigkeit, einem Zusammenspiel von Gefühlen, Gedanken und Reflexion. Ich kann Gottes Stimme hören in dem Schrei der Unterdrückten und Armen dieser Erde, in dem Seufzen der Traurigen, in dem Lachen der Kinder. 14 SCHWERPUNKT JESUITEN n DEZEMBER 2020 n HÖREN

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