Jesuiten 2020-4

JESUITEN n DEZEMBER 2020 n HÖREN Werdet Täter des Wortes, nicht nur Hörer Eine etwas andere Zachäus-Betrachtung: „Zachäus, komm schnell herunter! Denn ich muss heute in deinem Haus zu Gast sein“. Deutlich hörte er die ermutigende Stimme Jesu, ließ sich von seinem Blick treffen und einladen, ja fast umwerben. Welche Freude, welcher Stolz. „Zachäus, komm!“ Wenn doch Jesus nur nicht weiterginge. Wenn alles so bliebe – er würde eine Hütte auf diesem Maulbeerfeigenbaum bauen. „Zachäus, komm herunter und komm in ein neues Leben!“ Und er würde Kurse geben, wie man am besten auf einen solchen Baum steigt. Von Jesus gerufen und eingeladen – vielleicht ein Buchtitel. „Zachäus, ich brauche dich, und die Menschen brauchen dich – anders als bisher!“ In eigene Gedanken vertieft sah er nicht, wie Jesus seine ausgestreckte Hand senkte und mit traurigem Blick weiterzog. Jeden Tag kletterte Zachäus fortan auf diesen Maulbeerfeigenbaum, immer flinker und erfahrener. Und er schaute aus und wartete und hoffte, dass dieses Glücksgefühl noch einmal in ihm aufstiege. Aber es passierte nichts. Und den Rest des Tages ging sein Leben weiter: ausbeuten, kein Mitleid haben, betrügen. Schade. Und dabei hatte er die Stimme doch deutlich gehört. Ähnlich wäre eine solche Betrachtung von Simon und Andreas, wie sie als Juniorchefs die Alltagsarbeit machen. „Kommt her, folgt mir nach!“. Ja, das ist eine schöne Vorstellung, ein wenig kühn, fast verwegen. Aber ein Leben ohne Fischerei ist eben doch nicht vorstellbar. Das wäre unvernünftig. Alles geht erst einmal alles weiter wie bisher: Die Schwiegermutter des Simon würde nicht von Fieber befreit – aber das wäre noch das Geringste, das nicht passierte. „Hört das Wort nicht nur an, sondern handelt danach; sonst betrügt ihr euch selbst. Wer das Wort nur hört, aber nicht danach handelt, ist wie ein Mensch, der sein eigenes Gesicht im Spiegel betrachtet“ – so heißt es im Jakobusbrief. Wenn wir über das Hören nachdenken, müssen wir auch die Folgen des Hörens miteinbeziehen. Hören wäre fruchtlos und sinnlos, wenn es keine Konsequenzen hätte. Es wäre wie ein perspektivloser Blick in den Spiegel: Wir freuen uns, angesprochen zu sein, und kosten es aus. Aber wir lassen dem Gehörten keine Möglichkeit, sich in uns kraftvoll zu entfalten und uns dabei zu verändern, zu läutern, neu zu formen: Zachäus bliebe der Alte, Simon und Andreas bei ihren Netzen. Alles wie immer. Fridolin Stier hat dieses Motiv auf eindrucksvolle Weise in der Skizze zu einer Erzählung „Das Wort Gottes kommt in die Stadt“ ausgemalt. Da bringen sich Menschen vor dem Wort Gottes in Sicherheit! 22 GEISTLICHER IMPULS

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