Jesuiten 2021-1

Beichten – Zusammenspiel von Schwäche und Stärke Drei Stunden Gespräche. Drei Stunden Zuhören. Drei Stunden sich einlassen auf die Welt des Gegenübers. Auf das Dunkle und Schwere darin. Und genauso auf das Gelungene und Schöne. Drei Stunden behutsam Trost, Umkehr, Vergebung und Neuanfang vermitteln und zusagen. Nicht einfach drauf lossprechen. Sondern am Ende lossprechen. Im Sakrament der Versöhnung. Das sind drei Stunden im Beichtsprechzimmer der Jesuitenkirche St. Michael in München. In meiner Zeit dort durfte ich diesen Dienst tun. Und war nach drei Stunden jedes Mal erschöpft und müde. Und hatte doch zugleich mehr Energie als vorher. Denn hinter mir lagen drei Stunden voller echter Begegnungen, voller kommunikativer Energie. Als Priester, der die Beichte eines Gläubigen hört, befinde ich mich dabei in einer Situation der Stärke und der Schwäche zugleich. Der Beichtende kommt zu mir, weil ich ihm die Vergebung Gottes durch Jesus Christus verbindlich zusagen kann. Weil ich ihm zusagen kann, dass seine Sünden vergeben sind. Dieses helfende, lösende Wort kann er sich nicht selbst sagen. Wenn ich dem Beichtenden zuhöre, bringt mich das im gleichen Moment auch in Kontakt mit meiner eigenen Schwäche, da ich mich, das ist unvermeidlich, auf die ein oder andere Weise in ihm, seinen Mühen und seinem Scheitern auf dem Weg der Nachfolge Jesu wiedererkenne. Und nur wenn ich das zulasse und davor keine Angst habe, kann ich dem Anderen echt, menschlich begegnen. Dann kann ich empathisch verstehen. So kann ich dem Anderen hoffentlich etwas sagen, das ihm in seiner Situation wirklich hilft. Menschen, die zu einem Priester zum Beichtgespräch kommen, suchen in ihm beides: Sie suchen den, der an der Stelle Christi die Vergebung wirksam zuspricht. Und sie suchen zugleich den ganz menschlichen Gesprächspartner, der ihre Situation versteht, vielleicht sogar selbst kennt, und aus dieser Erfahrung und aus der Weisheit der Kirche heraus eine gute Weisung geben kann, die ihnen beim Weitergehen hilft. Und auch für mich als Priester finden diese beiden Dinge im Sakrament der Beichte auf wunderschöne Weise zusammen. Denn gerade in Situationen von Schwäche und Begrenztheit, von Nicht-Gelingen und Scheitern, auch meines priesterlichen Dienstes, weiß ich mich Christus besonders nahe. Auch er, dessen Lebensvision augenscheinlich erst einmal scheiterte, hat die Erfahrung von Schwäche gemacht. So sagt es uns prägnant der Hebräerbrief: ‚Er ist fähig, mit den Unwissenden und Irrenden mitzufühlen, da er auch selbst behaftet ist mit Schwachheit (Hebr. 5,2). So kann ich als Priester, der in dem Moment der Lossprechung Christus repräsentiert, und als Mensch mit meiner eigenen Geschichte, SCHWERPUNKT © Eliza photocase.com 12 JESUITEN n MÄRZ 2021 n SCHWACH STARK

RkJQdWJsaXNoZXIy MjIwOTIwOQ==