Jesuiten 2021-2

SCHWERPUNKT 6 Als Mann in Beziehung mit Jesus Wann ist ein Mann ein Mann? Meine Beziehung mit Jesus als Mann lädt mich immer wieder ein, meine eigene Vorstellung von Männlichkeit zu reflektieren. Zunächst finde ich mich gerne in Jesus dem ‚Macher‘ wieder, der sich sehr von seinem ‚Job‘ bzw. seiner Arbeit her definiert. Aber ein genauer Blick auf mein Gegenüber zeigt, dass er solche Stereotypen von Mann sein konterkariert. Erstens ist Jesus als Mann ein caretaker. Er hat sich jahrelang mit um seine höchstwahrscheinlich früh verwitwete Mutter gekümmert. Diese Fürsorge endete nicht einfach mit dem Beginn seines öffentlichen Wirkens, wie sich am Kreuz zeigt. Mit letzter Kraft stellt er dort sicher, dass seine zurückbleibende Mutter versorgt ist. Meine Erkenntnis: Ein guter (Ordens-)Mann ist auch ein caretaker, der mit der Frage nach der Vereinbarkeit von ‚Job‘ und Beziehungen zu ihm anvertrauten Menschen ringen darf und sollte. Zweitens verbinde ich mit Jesu Mannsein seine Kraft. Warum? Nun, Jesus war Handwerker. Und die beladenen Tische der Händler und Geldwechsler im Tempel fielen nicht von alleine um. Doch Jesus ist nicht einfach ein Kraftprotz. Er hat auch eine zärtliche und sensible Seite. Jesus hat keine Angst, sich von Männern und Frauen berühren zu lassen und diesen seine Schulter und Brust zum Anlehnen anzubieten. Er hat als Mann (öffentlich) geweint, z.B. am Grab seines Freundes Lazarus. Traue ich mich, im gleichen Maße stark und schwach, leidenschaftlich und zärtlich zu sein und Gefühle in ihrer gesamten Bandbreite zuzulassen? Drittens hat der Blick auf Jesu Mannsein etwas Befreiendes für mich. Jesus ist kein defizitärer Mann oder asexueller Mensch, nur weil er seine Fruchtbarkeit nicht in einer Weise (aus-) gelebt und verwirklicht hat, wie es oftmals von Männern erwartet wird. Im Gegenteil, Jesus war als Mann unglaublich fruchtbar und ‚männlich‘, nämlich als Ursprung und Begründer der Familie Gottes, die sich Kirche nennt! Jesus hat als Mann in seinem irdischen Leben durch die Sammlung von ganz unterschiedlichen Männern und Frauen die Gründung einer alternativen ‚Familie‘ angestoßen, in der die Unterschiede zwischen Mann und Frau, Juden und Griechen etc. nicht einfach verschwinden, aber doch zumindest deutlich an Wichtigkeit verlieren (sollten). Die Möglichkeit, in dieser Weise als Mann fruchtbar zu sein und gedeihen zu können, finde ich attraktiv und faszinierend. Patrick Zoll SJ ist Traumapädagoge und Dozent für Metaphysik und Politische Philosophie an der Hochschule für Philosophie in München.

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