Jesuiten 2022-2

SCHWERPUNKT 10 Der Segen der Körperspende Organspende rettet anderen Menschen das Leben. Doch auch Körperspenden retten Leben. Anatomieprofessor Ingo Bachmann sagt sogar: Die Toten dienen den Lebenden. Als Professor für Anatomie sehe ich die Toten jeden Tag. Ich erforsche ihre Gehirne nach Ursachen der Alzheimerschen Erkrankung und seziere ihre Körper mit Studierenden. Das anatomische Sezieren fasziniert mich auch noch nach 30 Jahren. Wir brechen ein Tabu, wenn wir das Messer an Toten ansetzen, ihre Körper öffnen, uns Einblick schaffen und versuchen zu sehen und zu begreifen, was die Lehrbücher beschreiben. So verstehen wir am besten die funktionelle Anatomie etwa des Herzens, der Lunge, des Knie- und des Sprunggelenkes. Wir brechen dieses Tabu mit gutem Grund, nämlich damit angehende Ärzte die menschliche Anatomie kennen. Die Toten dienen den Lebenden und lassen uns das Wunder der Schöpfung begreifen. Wer die Anatomie des Menschen mit Augen und Händen studiert hat, findet die Technik eines Maserati eher trivial. Meinen Studierenden bin ich sehr nahe: Wir sitzen ein ganzes Semester viele Stunden in der Woche nebeneinander und präparieren. Und reden. Nicht nur über Anatomie. Und natürlich ist es neben Fußball das Sterben, der Tod, die Körperspende und das Motiv der Körperspender*innen. 3.500 Körperspender*innen gibt es in unserer Kartei; ein halbes Prozent der Leipziger*innen. Viele habe ich kennengelernt, sie begrüßt, wenn sie ihren Vertrag mit uns abschließen, und mich herzlich bedankt. Sie bezahlen übrigens dafür, denn das Institut muss ihre toten Körper, die rechtsmedizinische Untersuchung und die Urnenbestattung bezahlen. Es sind Überzeugungstäter, die uns ihre Körper vermachen. Menschen, die sich mit ihrem Ende und ihrer Endlichkeit beschäftigt haben und sich noch über ihr eigenes Leben hinaus nützlich machen wollen für andere. „Warum soll ich meinen Körper ungenutzt verbrennen lassen, wenn er noch anderen dienen kann?“: Solche Sätze höre ich immer wieder und sie berühren mich immer wieder in ihrer liebevollen Vernunft. Am Ende des Semesters laden wir die Verwandten in eine wunderschöne Kirche ein und gedenken der Körperspender*innen. An die tausend Menschen kommen an diesem Tag zusammen. Unsere Studierenden gestalten den Gottesdienst gemeinsam mit den Pfar- rern der Studierendengemeinden, Schwester © Linda Schwarz

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