Jesuiten 2022-2

SCHWERPUNKT 16 Der letzte Akt Neben zahlreichen Theater- und Filmrollen spielte Tobias Moretti bei den Salzburger Festspielen die Titelrolle im „Jedermann“. Darin begegnet der Lebemann Jedermann dem Tod, dem er noch eine Lebensstunde abringen kann. In dieser gewährten Zeit verändert sich Jedermanns Blick auf sich, die Welt und Gott radikal. P. Max Heine-Geldern SJ sprach mit dem Schauspieler über seinen persönlichen Umgang mit dem Tod und seiner Prägung durch die Kunst. Seit Menschengedenken behelfen wir uns der Kunst, um mit dem Tod umzugehen. Woran liegt das Ihrer Meinung nach? Vielleicht kann man die Frage umgekehrt stellen: Warum beschäftigt sich die Kunst ständig mit dem Tod? In der Kunst geht es um alle Tiefen und Untiefen der Existenz, und da das Bewusstsein der eigenen Endlichkeit in unserem Leben allgegenwärtig ist, ist das auch in der Kunst so. Kunstformen wie das Theater oder vor allem die Musik sind ja selber in ihrem Wesen flüchtig, sind endlich, verklingen, ohne dass man sie festhalten könnte, obwohl man das manchmal möchte. Hat sich Ihr persönlicher Umgang mit dem Tod durch die Kunst verändert? Gibt es dazu konkrete Werke/Szenen oder einfach Lebenserfahrungen, die besonders in einem Werk Ausdruck finden? Verändert nicht unbedingt, vielleicht vertieft. Eine Figur wie Faust, der der Schöpfung das Geheimnis des Seins, so etwas wie die Weltformel, entlocken will, war mir existentiell nicht so nahe, da ich diesen Drang nicht habe. So etwas wie der Schluss von Grillparzers „Ottokar“ hinterlässt bei mir Spuren: Ottokar macht sich bewusst, dass er mit jedem Menschen, den er auch massenhaft getötet und ausgelöscht hat, dann in der Reflexion zu sich selbst findet. Jeder war mal ein geliebtes Kind. In der Wertung verschwimmt die Hierarchie zwischen Tod und Geburt. Es wird das Band sichtbar, das sich zwischen beiden spannt. Wie, würden Sie sagen, prägt der Umgang mit dem Tod Ihr Leben? Wie hat sich das im Laufe Ihres Lebens verändert? Ich funktioniere da relativ archaisch. In der Jugend denkt man wenig, und Todesmut ist eher ein Spiel, ohne dass man den Beginn des Wortes ernst nimmt. Mittlerweile allerdings, mit dem Alter, überkommt mich tiefe Verwunderung und fast ängstliche Dankbarkeit, dass ich keine antike Kerbe habe erleiden müssen. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort geboren, mit einer der reichsten Kulturen der Weltgeschichte gesegnet. Gesegnet auch mit einem Glauben, der mich zumindest ermutigt, auch in der Traurigkeit. Auch die Risikobereitschaft, die es in meinem Beruf braucht und die ich mir selbst auferlege, ist ein Glück, das in mir ist und das mich in irgendeiner Form autonom sein lässt. Nun kommen klarerwei-

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