Jesuiten 2022-2

SCHWERPUNKT 19 Wünschen und Fragen, ihren Stärken und ihrer Verletzlichkeit. Durch Dasein und Fürsorge ge- lingt es oft, dem Menschen am Lebensende Ge- staltung und Selbstbestimmung zu ermögli- chen und die Angehörigen gut zu begleiten. Bei der 46-jährigen Patientin mit Krebserkrankung und Darmverschluss gilt es, in den letzten Lebenswochen, Schmerzen und Erbrechen zu lindern oder bei der Pflege zu Hause zu unterstützen. Da sie alleinerziehende Mutter ist, wird es ihr jedoch möglicherweise genauso wichtig sein, mit der Sozialarbeiterin die weitere Obsorge ihrer beiden Kinder zu regeln, oder psychologische oder seelsorgliche Hilfe für die abschiedlichen Gespräche und gestaltenden Rituale mit ihren Kindern zu erhalten. Bei der 93-jährigen an Demenz erkrankten Pflegeheimbewohnerin steht der möglichst lange Erhalt ihrer Autonomie im Mittelpunkt der palliativen Betreuung, das geduldige und achtsame Würdigen ihrer Lebensgeschichte und das Vermeiden nicht notwendiger Krankenhauseinweisungen. Als Palliativmedizinerin habe ich, Annette Henry, in den letzten 25 Jahren miterlebt, wie Wissenschaft und Forschung in Palliative Care ein hohes Maß an evidenzbasiertem Wissen zu Krankheitsverläufen, Symptomlinderung und ethischen Entscheidungsprozessen hervorgebracht haben. Dennoch erleben wir in den Teams manchmal belastende Leiderfahrungen. Nicht alles kann im Anblick des Todes zum Guten gewendet werden, doch im Team geben wir einander den Halt, der es uns ermöglicht, „die Stellung am Fuße des Kreuzes zu halten“. In den Kursen für ehrenamtliche Hospizbegleiter*innen mache ich, Karin Weiler, die Erfahrung, dass die Auseinandersetzung mit dem Sterben viele Kursteilnehmer*innen lehrt, das Leben als Geschenk neu zu erfahren. Wie wertvoll für eine Gesellschaft, wenn Menschen in den Grenzsituationen die eigene Ohnmacht annehmen und dennoch als Person dableiben und nicht ausweichen. Annette Henry ist langjährige Palliativmedizinerin und Referentin in interprofessionellen Palliativlehrgängen im Kardinal König Haus (Wien). Sr. Karin Weiler CS ist Mitschwester der Hospizpionierin Sr. Hildegard Teuschl und seit vielen Jahren in der Ausbildung von ehrenamtlichen und professionellen Personen in der Palliativmedizin tätig. © Katharina Gebauer

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