Jesuiten 2022-2

SCHWERPUNKT 4 Unsterblichkeit und Transhumanismus Der Wunsch nach Unsterblichkeit führt dazu, dass Menschen den Aufstand gegen den Tod wagen. Der Ethikprofessor Benedikt Schmidt versucht eine Erklärung, welche Idee hinter Transhumanismus steckt. Am 22. März 2022 wurde in Berlin die „Gigafactory“ eröffnet. Der Gründer von Tesla, Elon Musk, steht für das Versprechen, mit Hilfe technologischen Fortschritts die drängenden Probleme der Zeit lösen zu können. Er zählt sich zur Bewegung des Transhumanismus, die – bei aller Ausdifferenzierung – davon ausgeht, dass der Mensch mit Hilfe technologischer Mittel seine Zukunft aktiv in die Hand nehmen sollte. Dazu zählt auch eine Verbesserung seiner selbst: die Hervorbringung des trans-humanen Subjekts, das je nach vorgestellter Radikalität auch zur Erschaffung des Post-Humanen führen kann. Meist geht es dabei um Ideen zur Beseitigung körperlicher Mängel. Dies kann von realitätsnahen technologischen Prothesen bis hin zur Vision von der Digitalisierung menschlichen Bewusstseins und damit zur körperlosen Existenz reichen. Nicht weit davon entfernt ist die Idee, am Ende ein unsterbliches Leben generieren zu können. Welche Idee verbirgt sich hinter dem Wunsch, mit Hilfe technologischer Selbstveränderung unsterblich zu werden? Aus anthropologisch-ethischer Perspektive handelt es sich um den Versuch, die Kontingenz menschlicher Existenz nicht nur im Rahmen des Möglichen zu bewältigen, sondern grundsätzlich zu beseitigen. Es handelt sich um die radikale Entgrenzung in der Immanenz und um eine absolute, auch zukünftige Verfügung über sich selbst. Dass damit der Bereich des ‚Menschlichen‘ verlassen wird, darauf zielt ein transhumanistischer Posthumanismus gerade ab, da aus einer Verbesserung des gegenwärtigen Menschen kein perfektes Individuum erwächst. In der transhumanistischen Vision des Films „Der Titan. Evolve or die“ wird die Logik umgekehrt: Einzelne Individuen werden verbessert, bleiben sterblich, um den nachfolgenden Generationen eine transplanetarische Zukunft der Spezies Mensch zu sichern. Dies lässt sich als eine Logik des solidarischen Selbst-Opfers fassen. Die gängige transhumanistische Unsterblichkeitsvariante verfolgt hingegen ein Projekt radikaler Selbsterlösung. Auch christlicherseits wird von Erlösung gesprochen – nur eben nicht in einem immanenten Rahmen. Was ändert das? Vielleicht, dass die Hoffnung auf transzendente Aufhebung der Kontingenz sterbliches Leben im Modus der Bewältigung erträglich werden lässt? Benedikt Schmidt (geb. 1987) ist seit 2020 Juniorprofessor für Theologische Ethik am IKT der Humboldt-Universität. Sein Forschungsschwerpunkt liegt u.a. in der Biomedizinethik sowie in Relevanz, Beitrag und Position Theologischer Ethik im Kontext pluralistisch, post-säkularer Gesellschaften.

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