Jesuiten 2023-2 (Deutschland-Ausgabe)

Damit aus dem toten Punkt der Kirche keine Flatline wird Nicht am toten Punkt, sondern mitten im Leben stehen katholische Schulen, weil Eltern, Schüler*innen und Lehrer*innen dieses kirchliche Angebot nachfragen – trotz des Versagens der Kirche beim Schutz junger Menschen. Bei Kirchenleitungen und Gremien sind katholische Schulen einerseits beliebt, da sie in den Jahresberichten der Bistümer die Kirchensteuer mit Verweis auf die hohen Aufwendungen für Kitas, Schulen und karitative Einrichtungen rechtfertigen können. Andererseits sind sie als Handlungsfeld außerhalb der Geborgenheit gebenden Gemeinschaft gleichgesinnter Getaufter unbeliebt, weil sie die Gefahr des theologischen Profilverlusts in sich bergen. Das ist besonders dann der Fall, wenn viele Schüler*innen nicht katholisch sind. Es wird auch argumentiert, dass das Geld, das für die Schulen ausgegeben wird, für pastorale Aufgaben fehlt. Die Reaktion: Etliche diözesane Schulträger haben Schulen schon auf- oder abgegeben. Vielen Orden fehlt der Nachwuchs, der in den eigenen Schulen arbeitet und dadurch sowohl zur Gestaltung als auch zur Finanzierung der Schulen beiträgt. So droht aus dem toten Punkt der Kirche die Flatline der Asystolie (Stillstand der elektrischen und mechanischen Herzaktion) zu werden, weil Kirche sich einer einzigartigen Dialogmöglichkeit mit jungen Menschen beraubt, die die Kirche von morgen gestalten werden – oder eben nicht. Einzigartig deshalb, weil in der Schule Religion Thema im Alltag ist, 40 Wochen im Jahr, bis zu 13 Schuljahre lang. Hier treffen an jedem Schultag junge Menschen mit all ihren Fragen inklusive der Gottesfrage, all ihren Problemen, Hoffnungen und Zukunftsängsten auf die Tradition der Wissenschaften und des Evangeliums und vor allem auf Menschen, die ihr Leben und ihr berufliches Handeln am Evangelium ausrichten. Lehrer*innen, Sozialarbeiter*innen und Seelsorger*innen führen diesen Dialog kreativ – nicht nur punktuell, sondern dauernd an jedem Schultag. So kann zum Beispiel eine inklusive Schule, die auch nicht getaufte Schüler*innen aufnimmt, den interreligiösen Dialog nicht auf besondere interreligiöse Begegnungen beschränken, sondern muss das tägliche respektvolle Zusammenleben trotz differenter religiöser Überzeugungen und Lebensweisen gestalten. Sie findet Wege, Vielfalt zuzulassen bei Erhalt der Einheit und religiöser Positionierung, was nebenbei bemerkt wohl die derzeitig zentrale Herausforderung für Kirche und Gesellschaft ist. Katholische Schulen können Impulse setzen gegen eine drohende Flatline. Dazu muss es sie erstens geben. Damit sie erhalten bleiben, wird künftig in Kirche und Gesellschaft mehr zivilgesellschaftliches Engagement von Lai*innen nötig sein. Zweitens müssten sie und ihre Erfahrungen nicht länger in Zukunftsprozessen der Diözesen ignoriert werden. Winfried Verburg ist Gründungsmitglied der „Stiftung katholische Schulen in Deutschland e. V.“ 10

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