Jesuiten 2024-1 (Deutschland-Ausgabe)

Marianismo Machismus – in Lateinamerika als Machismo bekannt – ist ein bekanntes Phänomen. Doch was hat es mit Marianismo auf sich? Marianismo wurde als wissenschaftlicher Diskussionsbegriff im Jahre 1973 von Evelyn Stevens in ihrem Aufsatz „Machismo and Marianismo“ in der Zeitschrift Society (Vol. 10,6) eingeführt. Die spanische Grammatik deutet auf den südamerikanischen Entdeckungszusammenhang hin. „Marianismo“ beschreibt ein Verhaltensmuster von Frauen in einer sogenannten Macho-Kultur. Frauen werden als spirituell und moralisch den Männern überlegen angesehen, weil sie für (genauer unter) ihre(n) misshandelnden und missbrauchenden Ehemänner(n) leiden, aber auch vergeben und für sie beten. Dieses als genuin weiblich beschriebene Verhalten wird durch ein problematisches Bild der Gottesmutter unterstützt; sehr oft muss die Mater dolorosa als Rechtfertigung herhalten. Leider bedeutet dieses Bild dann, dass Frauen, sofern sie dem Zerrbild folgen, nur heilig werden können, wenn sie den Missbrauch durch ihre Männer erleiden. Mit anderen Worten: Machismo ist notwendig, damit Frauen heilig werden können! Machismo hingegen stellt ein Modell männlichen Verhaltens dar, das missbräuchliches und sündiges Verhalten wie die Misshandlung von Frauen, männliche Hypersexualität, Gewalt und Stolz unterstützt. Nun kann man argumentieren, dass Machismo nur existieren kann, wenn ein solches Verhalten nicht nur toleriert, sondern bis zu einem gewissen Grad auch erwartet wird: Wenn von Frauen nicht erwartet würde, dass sie das Verhalten der Männer tolerieren und für sie beten, würden sich die Männer dann immer noch daneben benehmen? In diesem Sinne kann es Machismo nur geben, wenn es eine verzeihende Partnerin gibt, die den Missbrauch erleidet: Marianismo. In diesem Zusammenhang sind Machismo und Marianismo komplementäre Konzepte, die auf die Unterdrückung von Männern und Frauen abzielen: Diese Konzepte stellen Modelle für „männliches“ und „weibliches“ Verhalten dar, die das persönliche und geistige Wachstum von Männern und Frauen behindern. Fiona Li arbeitet derzeit als Verwaltungsassistentin im Büro des Präsidenten am Regis College in Toronto. Vor kurzem verteidigte sie ihre Dissertation mit dem Titel Erforschung des Bildes von Maria als Brückenbauerin (Pontifex) für die zeitgenössische kontextuelle „Theologie“. Bild: Madonna in der Kirche St. Klara in Nürnberg © Stefan Weigand 18

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