Erstes Date mit Gott

Unter dem Motto "Gott in allen Dingen finden" schreibt P. Georg Maria Roers SJ jeden Adventssonntag inspiriert von seinem Alltag einen spirituellen Impuls, um abseits des vorweihnachtlichen Trubels einmal kurz innezuhalten. Am 3. Advent geht es um pinke Fingernägel:

Eine Frau mit pink lackierten Fingernägeln: den Daumen, den Zeigefinger, den Mittelfinger und den kleinsten Finger. Der Ringfinger aber ragt heraus, weil er besonders schön glitzert. Wow! Ganz schön aufwendig so eine Deko an den Fingern. Bei BRAVO GIRL lerne ich wie Nagellack-Farbe auf andere wirkt. Helles Rosa bedeutet: „Romantik pur! Rosa ist eine zurückhaltende Farbe, die Dich zart, mädchenhaft und liebevoll erscheinen lässt. Mit hellrosa Nägeln wirkst Du zugänglich und sanft. Rosa ist (wie Transparent) die ideale Nagellackfarbe für ein erstes Date!“ Wer diese Zeilen liest wird in sich hineinschmunzeln. Irgendwie stimmt es fröhlich einer Frau zu begegnen, die das Selbstbewusstsein hat, so im Alltag aufzutauchen. Eigentlich ist nichts dabei.

Was aber, wenn in der Katholischen Liturgie die Farbe Rosa auftaucht? Am dritten Adventssonntag tragen die Priester traditionell ein Messgewand in Rosa. Ist das ein Witz? Anfang September fand ich auf katholisch.de einen satirischer Wochenrückblick von Björn Odendahl mit dem Titel: Ein Kardinal in Samthandschuhen. Werden mit rosafarbenen Gewändern bei einer Messe nicht alle Vorurteile bestätigt, die über Kleriker kursieren? Oder sollte man den Spieß einfach rumdrehen und wie der australische Bischof Vincent Long Van Nguyen ganz allgemein sagen: „Wir können nicht von der Bewahrung der Schöpfung sprechen, von der universalen und alles umfassenden Liebe Gottes, wenn wir zur selben Zeit bei der Misshandlung ethnischer Minderheiten, Frauen und homosexueller Menschen mit den Mächten der Unterdrückung zusammenwirken.“ So kann man es in dem Buch von James Martin SJ nachlesen: Eine Brücke bauen. Wie die katholische Kirche und schwule, lesbische, bisesuelle und trans*Menschen zu einer wertschätzenden Beziehung finden. Am dritten Advent wird aus dem Violett der Buße deshalb ein zartes Rosa, weil wir Christen uns auf die Geburt Jesu schon jetzt freuen. In Amerika ist es Brauch, dass die dritte Kerze am Adventskranz rosa ist. Rosa wie im Barock? An die rosa Fassaden barocker Schlösser mit ihren rosa Tapeten im Inneren haben wir uns längst gewöhnt.

Was aber wäre, wenn die Finger der Dame auf unserem Bild in grellstem Pink leuchteten?

Das es anders aussieht und etwas anderes bedeutet lerne ich wieder bei BRAVO GIRL: „Pink ist die ältere, lautere Schwester von Rosa. Pink ist sehr ausdrucksstark, schrill und ein bisschen aggressiv. Mir ihr wirkst du unabhängig und frech. Du kannst durch sie aber auch launisch und dominant rüberkommen.“

Heute morgen habe ich den 47. Psalm gebetet: „Ihr Völker alle, klatscht in die Hände; jauchzt Gott zu mit lautem Jubel!“ Was für eine Kraft von Menschen ausgeht, die alle gleichzeitig in die Hände klatschen, kann man in dem Film Bohemian Rhapsody spüren. Das Biopic über „Queen“-Frontmann Freddie Mercury rockt die Kinokassen, ist damit also jetzt der erfolgreichste Film seines Genres. Vor über 30 Jahren klatschen die Fans von Queen bei dem Song We Will Rock You im Wembleystadion ganz rhythmisch im Wechsel mit dem Schlagzeuger. Die Leute im Stadion wurden zu Mitwirkenden und so wurde das Stadion selbst zur Bühne. Das Ganze war ein Benefizkonzert und hieß Live Aid mit dem Untertitel Feed the World. Der Musiker Bob Geldof hatte es organisiert und zweimal wiederholt 1989 und 2004. Das Geld kam der damaligen Hungersnot in Äthiopien zugute. Es fand parallel im Londoner Wembley-Stadion (GB) und im John F. Kennedy Stadium in Philadelphia (USA) statt.

Können wir uns heute überhaupt vorstellen, was damals geschah? Harry Belafontes hatte die Idee das Musikprojekt USA for Africa zu gründen, um Geld für die Opfer der Hungersnot in Äthiopien 1984–1985 zu sammeln. Damals waren nicht die Vereinigten Staaten von Amerika mit dem Kürzel im Namen gemeint, sondern USA im Namen der Band hieß: United Support of Artists. Es entwickelte sich eine eigene Hilfsorganisation (USAFA), die es bis heute gibt. Momentan ist sehr wenig davon zu spüren, dass Nordamerika der Welt hilft. Es wird zur Zeit regiert unter dem Motto: America first! Amerika ist nun nicht mehr der Frontmann in Sachen PAX AMERICANA, die die antike PAX ROMANA zitierte. Wäre nicht ein Live Aid für die hungernden Menschen im Jemen Ende 2018 – also jetzt – überfällig? Von Künstlern organisiert, die das Schöne schaffen wie Gott! Immerhin hat eine Friedenskonferenz in Schweden begonnen.

Bleibt die Frage, was macht die Frau in Rosa im nächsten Moment. Ist Sie auf dem Weg zum Frühstück mit ihrer Familie? Freut sie sich auf einen Tag allein Zuhause? Bringt sie jemandem einen Tee oder Kaffee? Oder schlägt sie gleich die Bibel auf, um darin zu lesen? Oder die Tageszeitung, den Terminkalender? Wie war das noch? Rosa ist die ideale Nagellackfarbe für ein erstes Date. Gilt das auch für dein erstes Date mit Gott? Nimm dir Zeit dafür!

Autor:

Georg Maria Roers SJ

Pater Georg Maria Roers SJ ist Beauftragter für die Bereiche Kunst und Kultur im Erzbistum Berlin. Aufgewachsen ist er am Niederrhein. Sein Lehrer auf dem katholischen Internat Gaesdonck war der Künstler und Kunstsammler Franz Joseph van der Grinten, ein Freund von Joseph Beuys. Ein anderer Lehrer begeisterte ihn im Leistungskurs Theologie für Ignatius von Loyola, den Begründer des Jesuitenordens. „Sich aus der Welt zurückziehen, in einen Dialog mit Gott treten, das Leben Jesu nehmen und das eigene Leben danebenlegen“, das habe ihn fasziniert. Nach dem Abitur tritt er in den Orden ein und studiert Theologie, Philosophie, Kunstwissenschaft. Seine Abschlussarbeit schreibt er über die „Ästhetik des Heiligen“. Bevor er 2013 nach Berlin kam, arbeitete er zehn Jahre als Künstlerseelsorger in München.

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