• Jesuitenkirche und Kolleg in Wien, Kupferstich von 1724.
  • Karte der Ordensprovinzen der Jesuiten in Österreich-Ungarn mit Meilenanzeiger für Fußwege um 1730.
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Österreich

König Ferdinand I. holt die Jesuiten nach Wien

Um die Mitte des 16. Jahrhunderts war die religiöse Situation und besonders die Lage der katholischen Kirche in weiten Teilen der habsburgischen Erblande verworren: Viele Pfarren waren verwaist (in Wien hatte es 20 Jahre lang keine Priesterweihe gegeben) und der Großteil des Adels neigte dem Protestantismus zu. In dieser Lage ergriff König Ferdinand I. die Initiative. Schon 1542 hatte er P. Nikolaus Bobadilla kennengelernt, einen der ersten Gefährten des Ignatius, und am Augsburger Reichstag 1545 hörte er die Predigten des P. Claude Jay, von denen er tief beeindruckt war. So schrieb der König am 11. Dezember 1550 an Ignatius von Loyola nach Rom, dass er beabsichtige, in Wien möglichst bald ein Kolleg zu gründen. Dazu bitte er um die Entsendung von Claude Jay und einigen anderen Jesuiten. Ignatius stimmte sofort zu.

Bereits am 25. April 1551 trafen die ersten Jesuiten in Wien ein, im März 1552 schloss sich ihnen P. Petrus Canisius an. Die Jesuiten begannen bald mit ihrer Lehrtätigkeit. 1554 zählte man in fünf Klassen bereits fast 300 Schüler. Ebenfalls in diesem Jahr übersiedelten die Jesuiten mit allen Schülern in ein neues Haus, in das ehemalige Karmeliterkloster Am Hof. Zur gleichen Zeit äußerte der König den Wunsch, ein Theologe möge ein kurzes Handbuch der christlichen Lehre verfassen. Daraus entstand der bekannte Katechismus des Canisius, der erstmals 1555 in Wien gedruckt wurde. Schulen und Kollegien wurden auch in Innsbruck (1562), Graz (1572), Linz (1608) und an anderen Orten eröffnet.

1563 wurde die österreichische Ordensprovinz gegründet. Sie umfasste bis 1773 Österreich und Ungarn (Böhmen war seit 1622 eine eigenständige Provinz; die Kollegien in Innsbruck und Hall gehörten zur Oberdeutschen Provinz). Im 18. Jahrhundert zählte sie bis über 1.900 Mitglieder, die in Schulen, Universitäten, als Beichtväter (auch des Kaisers, seiner Familie und zahlreicher Adeliger) und Prediger und in vielen anderen Bereichen tätig waren. Darunter waren auch herausragende Wissenschaftler. In Österreich ist im Bereich der Astronomie etwa P. Maximilian Hell (1720-1792) zu nennen, im Bereich der Landvermessung P. Joseph Liesganig (1719-1799).

Als der Orden 1773 durch den Papst aufgehoben wurde, wurden die Jesuiten in Österreich in der Regel nicht des Landes verwiesen, sondern konnten vielfach noch in den Bereichen Seelsorge, Bildung und Wissenschaft weiterarbeiten.

Rückkehr nach Österreich

1814 erfolgte die Wiedergründung der Gesellschaft Jesu durch Papst Pius VII. In Österreich lehnten aber besonders liberale Kreise wie auch die Hofstudienkommission eine Rückkehr der Jesuiten in die Habsburgermonarchie zunächst ab. Erst als der Orden 1820 von Zar Alexander aus Russland vertrieben wurde, erhielten die Jesuiten von Kaiser Franz I. die Erlaubnis, sich in Galizien niederzulassen.

1829 konnte dann ein Noviziat in Gleisdorf eröffnet werden, das aber noch im selben Jahr nach Graz übersiedelte. In Linz stellte der Hoch- und Deutschmeister Erzherzog Maximilian von Österreich den Festungsturm auf dem Freinberg für eine weitere Niederlassung zu Verfügung. 1837 trafen 23 Jesuiten dort ein, die sich vor allem dem philosophischen Studium widmeten, aber auch in der Seelsorge wirkten, Beichte hörten, predigten und Volksmissionen hielten. 1839 kam Innsbruck als dritte Niederlassung im heutigen Österreich hinzu, als die Jesuiten die Leitung des Gymnasiums, des Adeligen-Konvikts Theresianum und die Betreuung der Dreifaltigkeitskirche übernahmen und das Nikolaihaus als Wohnsitz der Kommunität erwarben. 1846 wurde die österreichisch-galizische Provinz geteilt und eine eigene „Provincia Austriaca“ mit 154 Jesuiten errichtet.

Neuerliche Verbannung

Im Zuge der Märzrevolution 1848 wurden die Jesuiten aus dem Kaiserreich Österreich verbannt und mussten größtenteils ins Ausland gehen. Zwei Mitbrüder (die Patres Max Klinkowström und Alois Kranewitter) begleiteten eine Auswanderergruppe nach Australien und begründeten so die australische Jesuitenprovinz.

Nach dem Regierungsantritt von Kaiser Franz Joseph konnten die Jesuiten allmählich wieder zurückkehren: 1851 kamen die Jesuiten auf den Freinberg zurück und richteten dort ein bischöfliches Knabenseminar ein; 1852 wurde ein Noviziat in Baumgartenberg eröffnet (das dann 1859 nach St. Andrä im Lavanttal übersiedelte); 1856 wurde in Wien dem Orden die Jesuitenkirche (Universitätskirche) am Dr. Ignaz Seipel-Platz übergeben; im selben Jahr wurde die Jesuitenschule in Wien-Kalksburg eröffnet; 1857 bewilligte Kaiser Franz Joseph I. die Errichtung einer theologischen Fakultät in Innsbruck, die der Gesellschaft Jesu übertragen wurde.

Neben den üblichen Tätigkeiten, nämlich Unterricht in Schule und Universität, Begleitung Marianischer Kongregationen, Geben von Exerzitien, Beichthören und Predigen widmeten die Jesuiten sich besonders den Volksmissionen. 1865 wurde in Steyr eine Niederlassung als Wohnstätte für die Volksmissionare begründet. Im selben Jahr erschien in Innsbruck der erste „Sendbote des göttlichen Herzens Jesu“, 1877 wurde die „Zeitschrift für Katholische Theologie“ gegründet.

1884 wurde in Wien-Lainz ein Jagdschloss als Ort für das Terziat erworben; 1889 wurde dann ein Exerzitientrakt angebaut. 1886 kehrten die Jesuiten nach Graz zurück, diesmal an die Stiegenkirche. 1888 wurde in Klagenfurt die Leitung des Priesterseminars übernommen. In Wien wurde in den Jahren 1899 bis 1903 die Canisiuskirche errichtet, 1909 konnten die Jesuiten wieder an die Kirche „Am Hof“ zurückkehren. Im selben Jahr bekam der Orden in Linz die Ignatiuskirche (den „Alten Dom“) übertragen, während 1910-11 in Innsbruck das Canisianum als internationales Priesterseminar erbaut wurde.

Weiters gab es eine kleine Statio in Maria Taferl (1888-1894) und in den Kronländern Niederlassungen unter anderem in Budapest und Bratislava, in Trnava und Kalosca, in Mariaschein, Velehrad und auf dem Heiligen Berg in Hostein (Mähren), in Königgrätz und Prag, in Ljubljana und Zagreb, in Dubrovnik und Split, in Görz, Triest und Trient sowie in Travnik und in Sarajewo. 1909 errichtete der Generalobere die nun selbstständige und von Österreich unabhängige ungarische Provinz.

Das Wirken der Jesuiten in der Zeit bis 1918 ist hineingestellt in die vielfachen Spannungen und Auseinandersetzungen dieser Zeit: liberale, kulturkämpferische, antikirchliche, ultramontanistische Kreise kämpften um Einfluss; dazu kamen große soziale Probleme und Gegensätze, die Nationalitätenfrage in der Habsburgermonarchie usw. Viele dieser Fragen wurden von den Jesuiten aufgegriffen und entschieden (bis hin zu einer gewissen Aggressivität) angegangen.

Bis 1945

Als Folge des Krieges kam es zu neuen Provinzgrenzen. 1919 wurden eine tschechoslowakische und eine jugoslawische Vizeprovinz gegründet. Die Zahl der Mitglieder der österreichischen Provinz sank damit von 592 auf 356. 1939 übernahm die Provinz zusätzlich die Verantwortung für ein Missionsgebiet in China und 1934 erstmals eine Aufgabe in der Stadt Salzburg, die Seelsorgestation St. Elisabeth.

Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten bedrohte den Jesuitenorden und einzelne Jesuiten: der Vorarlberger P. Alois Grimm wurde am 11. September 1944, der Südtiroler P. Johann Steinmayr am 18. September 1944 hingerichtet, der zum Tode verurteilte Südtiroler P. Johann Schwingshackl starb am 27. Februar 1945 in der Haft. 1938 wurden die Marianischen Kongregationen verboten, in Innsbruck die Theologische Fakultät in Innsbruck und das Canisianum beschlagnahmt, in Wien das Kollegium Kalksburg als Schule aufgehoben, in Linz der Freinberg vom Militär besetzt. 1939 wurden das Jesuitenkolleg in Innsbruck sowie die Niederlassung in Graz enteignet. 1940 mussten die Jesuiten St. Andrä verlassen, das Exerzitienhaus in Lainz wurde 1941 von der Heeresstandortverwaltung beschlagnahmt. In Wien gründete P. Georg Bichlmair die „Hilfsstelle für nicht-arische Katholiken“, die nach seiner Verhaftung 1939 von P. Ludger Born im Auftrag Kardinal Innitzers weitergeführt wurde. 1941 erließ Hitler den Geheimbefehl, alle Jesuiten als „n.z.v.“ (nicht zu verwenden) aus dem aktiven Wehrdienst zu entlassen.

Wiederaufbau und Gegenwart

Der Krieg mit all seinen Folgen und die Unterdrückung durch das Regime hatten den Orden schwer getroffen, dennoch ging der Wiederaufbau schnell und gut voran: Das Noviziat wurde bereits 1945 wieder in St. Andrä eröffnet, die enteigneten oder beschlagnahmten Häuser wurden sukzessive zurückgegeben, sodass die normale Arbeit wieder aufgenommen werden konnte. Die Katholisch-Theologische Fakultät kam mit Professoren wie P. Josef Andreas Jungmann oder P. Karl Rahner zu einer neuen Blüte und zog Studierende aus der ganzen Welt an. Ebenfalls in Innsbruck wurde 1964 von der mk das Kennedy-Haus errichtet. In Wien-Lainz wurde 1968 die Konzilsgedächtniskirche und daneben das soziale Bildungshaus gebaut, das heute als Kardinal König Haus gemeinsam mit der Caritas betrieben wird.

1952 wurde die Niederlassung „Am Hof“ in Wien geschlossen, 1955 die Niederlassung in Salzburg, 1957 in Graz, 1986 in Klagenfurt, 1999 in Wien-Canisius, 2002 in Wien-Kalksburg und 2012 in St. Andrä. Das Aloisanum am Freinberg wird seit 1991 von einem Trägerverein als katholische Privatschule in ignatianischer Tradition geführt, das Kollegium Kalksburg seit 1994. Im Jahr 2007 wurde in Graz wieder eine Niederlassung eröffnet.

Im Anschluss an das 2. Vatikanische Konzil bekräftige der Jesuitenorden die soziale Dimension seiner Sendung. Aus dem von P. Walter Riener gegründeten Sozialen Bildungswerk wurde die Katholische Sozialakademie der Österreichischen Bischofskonferenz. P. Georg Sporschill begann 1991, sich um Straßenkinder in Rumänien zu kümmern. Daraus entstanden die Sozialprojekte Concordia.

Heute 60 Mitglieder an 4 Standorten

Heute leben und wirken in Österreich gut 60 Jesuiten an 4 Standorten. Schwerpunkte der Arbeit sind die theologische Lehre, Jugendarbeit und Zukunftswerkstatt in Innsbruck, Exerzitien und Bildungsangebote im Kardinal-König-Haus, Pfarren, Jesuiten weltweit, Sozialprojekte Concordia und ELIJAH in Wien, Seelsorge in Graz und Linz. Konkrete Einblicke in die Arbeit finden Sie bei den österreichischen Stationen auf unserem digitalen Canisiusweg, der Sie durch die Zentraleuropäische Provinz führt.

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