• P. Martin Löwenstein (rechts im Bild) mit Freunden auf einer Radltour.
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Der Radler

Was bedeutet Urlaub für mich? Diese Frage stellen wir in den kommenden Wochen einigen Jesuiten und Mitarbeitern jesuitischer Werke. Für die einen bedeutet es Exerzitien zu machen, am Strand zu liegen oder die Familie zu besuchen. Für Martin Löwenstein bedeutet es vor allem, ungeplantes Losfahren.

Was beim Radwandern passiert, ist nur sehr bedingt planbar. Die Ausrüstung muss stimmen, und auch die Kondition sollte nicht unbedingt bei Null anfangen. Zumindest ist es ganz hilfreich, wenn Freunde, die miteinander fahren, ähnliche Vorstellungen davon haben, was Radfahren bedeutet. Und: Nein, bislang kein E-Bike!

Dann aber beginnt das Unplanbare. Wir fahren los. Wir sehen Landschaften und Orte. Es passiert dass Unvorhergesehene. Wir brauchen die Hilfe von Menschen, die einen Schluck Wasser für uns haben, die den Weg wissen, mit einem Werkzeug aushilfen können oder einfach nur zufällig über den Weg laufen. Das Wetter kommt, wie es kommt; mittlerweile häufig zu heiß. Dann ist eine lange Mittagspause angesagt - und wohliges sich-wälzen im Schatten. Es geht weiter, vielleicht zu einem Ziel, vielleicht stellt sich erst heraus, wo Zeltplatz oder eine Unterkunft für die nächste Nacht ist.

Mehr oder weniger seit ich 14 Jahre bin, verbringe ich so meinen Urlaub. Für ein paar Jahre konnte ich Arbeit und Hobby verbinden, als ich jeweils mit 30 Leuten drei Wochen auf Fahrrad-Exerzitien nach Loyola in Spanien gefahren bin. Da konnte ich auch etwas von der geistlichen Erfahrung weitergeben, die für mich das Fahrradfahren bedeutet. Es ist immer eine körperliche Herausforderung, aber diese erlebe ich oft als eine Vorbereitung darauf, geistliche Erfahrung zu machen oder zuzulassen. Andere haben mir diese Erfahrung bestätigt. Auf dem Weg zieht viel an einem vorbei und lädt dazu ein zu kontemplieren. Wenn wir dann am Abend irgendwo unter freiem Himmel miteinander ein Abendgebet halten oder die Heilige Messe feiern, dann ist dies gefüllt mit Erfahrungen und Eindrücken, die den Tag bereichert haben.

Ein wichtiger Teil der Geistlichen Übung des Radwanderns ist für mich, dass ich immer wieder in Situationen komme, in denen ich abhängig bin von anderen. Da ich eigentlich fast immer zusammen mit Freunden zu zweit oder in kleinen Gruppen fahre, ist da zunächst die Abhängigkeit voneinander. Wer zusammen Fahrrad fahren will, muss sich auf andere einstellen können. Vielleicht gelingt mir das nicht immer so, wie ich es mir wünsche. Aber ich stelle mich der Herausforderung und bin dankbar für Freunde, die dies auch tun. Es ist aber auch die Abhängigkeit von so viel Hilfsbereitschaft von Menschen auf dem Weg, die für mich die ganz konkrete Erfahrungen sind, durch die Gott mir nahe kommt, der mich liebt und mir dient - en todo amar y servir! In so vielen Menschen ist er für mich da. Richtig schlechte Erfahrung habe ich eigentlich auf all diesen Touren nie gemacht.

Was jedes Jahr neu unter den Radfreunden zu verhandeln ist, ist die Frage, wohin es geht. Lange Zeit fand ich es gut, Ziele anzustreben, die ich von daheim aus dem Fahrrad erreichen kann. Das waren aber auch die Zeiten, wo eine solche Urlaubstour schonmal bis zu 2.000 km erreichen konnte. Heute ist es meist nur noch die Hälfte. Mein längster Sommer waren 4.000 km bis nach Olympia;  da hatte ich allerdings auch in den Semesterferien vier Wochen Zeit. Heute gehört für mich die Anfahrt mit dem Zug ganz wesentlich dazu, dass die Seele Distanz bekommt zum Alltag und dem Ort, wo meine Arbeit ist. Mit jedem Umsteigen von Regionalzug auf Regionalzug nimmt nicht nur die Entfernung sondern auch die innere Distanz zu, die ich einmal im Jahr für zwei bis drei Wochen brauche, um Abstand zu gewinnen zu dem, was auch einen Ordenspriester während des Jahres in Stress bringen.

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