Gesetze und Regelungen, die fast 100 Jahre alt sind: Das klingt alles andere als modern und zukunftsweisend. Erst recht, wenn sie Bedingungen von Arbeit und Beschäftigung regeln sollen. Oder doch? Pater Gangolf Schüßler SJ, im HPH verantwortlich für die Qualifizierung von Mitarbeitervertretungen, hat eine klare Meinung: »Damals wie heute herrscht die Überzeugung, dass der Staat nicht alles regeln kann. Und das ist wirklich fortschrittlich.«
Es geht um den sogenannten »Dritten Weg«. Er ist in Artikel 140 des Grundgesetzes beschrieben und besagt, im Rückgriff auf Artikel 137 der Weimarer Verfassung: »Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes.« Übersetzt heißt das, dass kirchliche Arbeitgeber und ihre Arbeitnehmerinnen und -nehmer eine Dienstgemeinschaft bilden, in der sie die jeweiligen Beschäftigungsverhältnisse gemeinsam aushandeln und gestalten – »und das soll in der Folge zu besseren Ergebnissen führen«, so Schüßler.
Inhalte sind etwa die Verhandlung über Arbeitszeit-und Überstundenregelungen, aber auch über Personalpolitik und -entwicklung, Kündigungsschutz oder Gesundheitsmanagement.
Gleichberechtigt!
Das ist das eigentlich Besondere an diesen Themen: Mitarbeitervertretungen und Dienstgeber verhandeln auf Augenhöhe. Neu gewählten MAV-Mitgliedern fällt dies mitunter schwer. Pater Schüßler spürt das in den Einführungsveranstaltungen: »Da sitzt eine bunt gemischte Gruppe zusammen, aus ganz verschiedenen Berufsgruppen und Hierarchiestufen. Und die erfahren nun, dass sie mit ihrem Arbeitgeber gleichberechtigt verhandeln sollen. Das ist eine echte Herausforderung.«
Auf der anderen Seite ist der »Dritte Weg« auch für den Dienstgeber eine große Verpflichtung: Denn er muss dem Anspruch gerecht werden, »dass die kirchlichen Arbeitgeber es besser machen als andere Unternehmen und Institutionen«, stellt Pater Schüßler fest.
Herausforderung Ökonomisierung
Eine aktuelle Entwicklung zeigt beispielhaft, wie wichtig das Miteinander von MAV und Arbeitgeber ist: Die zunehmende Ökonomisierung im Gesundheitswesen und die dadurch entstehenden Konzernstrukturen machen die Bildung eines Wirtschaftsausschusses zwingend notwendig. Dafür brauchen die Mitarbeitervertretungen mehr Wissen und Qualifizierung und es sind entsprechende Anpassungen im Mitbestimmungsrecht notwendig. Ein Unternehmen profitiert hier von einer gut qualifizierten MAV, indem beispielsweise Arbeitszeitregelungen viel besser angeglichen oder gemeinsam mit der Belegschaft Lösungen bei Herausforderungen gefunden werden können.
Auch die MAV-Qualifizierung selbst befindet sich stets im Wandel – für Pater Schüßler bedeutet das die Entwicklung immer neuer Schulungsangebote. Dafür müssen auch qualifizierte Fachreferenten und -referentinnen gefunden werden; eine ganz neue Frage also, die Viele bewegt und zugleich die Lust auf entsprechende Veranstaltungen weckt. »Genau das macht meine Arbeit spannend!«, betont Gangolf Schüßler leidenschaftlich.