1 / 7

Das andere Ende der Nahrungskette

Claus Recktenwald SJ leitet ein landwirtschaftliches Ausbildungszentrum in Sambia: das Kasisi Agricultural Training Center. Aus dieser Perspektive beschreibt er, was es für die Erzeuger bedeutet, wenn sich unsere Essgewohnheiten und Anforderungen an den Landbau verändern.

Es beginnt im Kopf
Wo verschiedene Lebenswelten aufeinanderstoßen, gibt es manchmal skurrile Situationen. So etwa an einem Samstagvormittag vor zwei Jahren. Ich hatte den Lieferdienst für das Gemüse übernommen, das eine Gruppe von Kleinbauern in Kasisi/Sambia mit biologischen Methoden anbaut. Der Pickup war voll beladen, vor allem mit verschiedenen Sorten von Blattgemüse wie Kürbis-, Amaranth-, Kohl- und Bohnenblättern. Diese sind in Sambia traditionell sehr gefragt. Unsere waren obendrein biologisch, regional, 1A Qualität, voll mit Antioxidantien, Vitaminen und Ballaststoffen... Eine junge Bäuerin begleitete mich. Nachdem wir das Gemüse verkauft hatten und auf dem Rückweg waren, bat sie mich, an einer Shopping Mall zu halten, sie wolle etwas zu Essen kaufen. Etwas ratlos stand ich da und versuchte, eins und eins zusammenzuzählen, als sie so ziemlich alles Geld, das sie eben verdient hatte, in einem Fastfood-Laden für Chickenwings und Fritten ausgab.

Unsere Essgewohnheiten beginnen bei unseren Idealen. Es macht einen Unterschied, ob jemand von „unten“ kommt, die Armut hinter sich lassen und einer Welt des Wohlstandes und des Konsums angehören will, oder ob man zu einer postmateriellen Schicht gehört, die andere Ideale hat.

Essgewohnheiten verändern die Welt
Die Biolandwirtschaft in Deutschland wächst stetig. Mittlerweile ist ihr Umsatz auf fast 16 Milliarden Euro gewachsen und etwa 10 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche werden bereits biologisch bewirtschaftet.

Angebot und Nachfrage stehen in einem dynamischen Verhältnis. Wenn die Kunden mehr „Bio“ verlangen, reagiert der Markt darauf und es wird mehr ökologisch produziert. Gleichzeitig ist aber der Biosektor durch die erhöhte Anfrage verändert worden. Die ersten Biohöfe wurden vor allem aus Protest gegen die vorherrschenden Entwicklungen der Wirtschaft und der Gesellschaft gegründet. Heute ist die Biobranche geprägt von hippen Startups, Schönheitsprodukten und professioneller Vermarktung.

Es brodelt im Topf
Es gibt sie nicht, die eine Landwirtschaft. Landwirtschaft ist so divers, wie die Vorstellungen der sozialen Gruppen und Kulturen, die sie beliefert. Sie ist Experimentierküche des gesellschaftlichen Wandels. Alles kommt in den Topf: wirtschaftliche Interessen, Geopolitik, die Nachfrage einer steigenden Bevölkerung, der Klimawandel, limitierte Ressourcen und gesellschaftliche Akzeptanz.

Eine Vielzahl von Agrarkonzepten wird feilgeboten: Climate Smart Agriculture, Conservation Agriculture, Regenerative Agriculture, Agroecology oder Syntropic Agriculture. Oft ist auf den ersten Blick nicht genau klar, was die Unterschiede sind und welche Agenda dahintersteht.

Unterscheidung der Geister
Unsere Ideale wirken sich auf unsere Essgewohnheiten aus. Auch in den Formen der Landwirtschaft zeigen sich unterschiedliche Geister. Es gibt Formen der Landwirtschaft, die zerstören unsere Mutter und Schwester Erde. Andere stellen degeneriertes Land wieder her und machen es sogar zu Kohlenstoffspeichern. Es braucht die betende Unterscheidung der Geister auf allen Ebenen – persönlich wie gesellschaftlich –, um dem Geist der Wahrheit die Ehre zu geben.

Newsletter

Das Magazin „Jesuiten“ erscheint mit Ausgaben für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Bitte wählen Sie Ihre Region aus:

×
- ×