Vallendar (KNA) - Sexueller Missbrauch in Ordensgemeinschaften wird nach Ansicht der Vorsitzenden der Deutschen Ordensobernkonferenz (DOK), Katharina Kluitmann, durch klerikale Machtstrukturen begünstigt. Die Franziskanerschwester und promovierte Psychologin sagte in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): "Natürlich spielt klerikale Macht auch eine Rolle, wenn Ordensfrauen oder andere Frauen oder Männer im Rahmen von Beichte und Begleitung missbraucht werden."
Sie fügte hinzu: "Macht ist immer die Voraussetzung für sexualisierte Gewalt." Dies gelte bei Taten gegen Minderjährige ebenso wie gegen Volljährige, beispielsweise beim Missbrauch im Rahmen des Ausbildungsverhältnisses. Zur Dimension des Missbrauchs in Orden sagte die 54 Jahre alte Konferenzvorsitzende: "Ich halte Missbrauch von Klerikern an Ordensfrauen in Deutschland nicht für ein Massenphänomen und glaube nicht, dass er sozusagen 'mit System' betrieben wird." Missbrauch habe aber "systemische Ursachen" im Sinne der klerikalen Machtstrukturen.
Allerdings wisse man "noch nicht genug über das, was in den einzelnen Gemeinschaften geschehen ist und geschieht, an Taten, aber auch an Aufklärung, Aufarbeitung und Prävention", sagte Kluitmann. Da die Orden sehr unterschiedlich seien, "raten die Fachleute konstant von einer gemeinsamen Studie ab, so dass wir uns um eine andere Vorgehensweise bemühen müssen". Es gebe die "Herausforderung, dass Schwestern und Brüder sowohl auf der Täterseite als auch auf der der Betroffenen und Unterstützer stehen".
Kluitmann äußerte sich zum Auftakt der Mitgliederversammlung der Oberen im rheinland-pfälzischen Vallendar. Das bis Mittwoch dauernde Treffen von mehr als 200 Ordensoberinnen und -oberen steht unter der Überschrift "Die Wahrheit macht uns frei. Missbrauch wahrnehmen - aufarbeiten - vorbeugen". Erwartet werden Äbtissinnen, Äbte, General- und Provinzoberinnen und -obere sowie Priorinnen und Prioren. Die Konferenz vertritt nach eigenen Angaben die Interessen der Ordensgemeinschaften in Deutschland mit rund 14.250 Ordensfrauen und rund 3.500 Ordensmännern, die in knapp 1.600 Niederlassungen leben.