P. Fabian Moos SJ vom Ukama-Zentrum der Jesuiten für sozial-ökologische Transformation spricht im Interview über aktuelle Klimaproteste und den weltweiten Gebetsaufruf des Papstes für die Schöpfung.
Pater Jörg Alt SJ hat sich am 1. September öffentlichkeitswirksam für die Bewahrung der Schöpfung ausgesprochen und gemeinsam mit jungen Menschen von der Letzten Generation Straßen in München vor dem Bayerischen Verkehrsministerium und der Staatskanzlei blockiert. Wie bewerten Sie diese Aktion?
Jörg Alt hat betont, dass Bayern in Sachen Klimaschutz viel mehr tun könnte und sollte, es aber seit Jahren vor sich herschiebt, und vor allem kritisiert er die Kriminalisierung der gewaltlosen Aktivistinnen und Aktivisten. Die Kernaussage ist: Hört auf die Botschaft, anstatt ihre Botschafter wegzusperren! Ich finde es ein ganz starkes Zeichen, dass er das am 1. September gemacht hat: Der Papst, auch er ist Jesuit, setzt mit seinem weltweiten Gebetsaufruf zur Bewahrung der Schöpfung ein weiteres Mal einen spirituellen Weckruf, P. Jörg Alt nimmt darauf mit seiner erneuten Aktion zivilen Ungehorsams Bezug. Ein Novum ist, dass mit dem philippinischen Jesuiten P. Pedro Walpole SJ auch ein Vertreter des globalen Südens dabei war, um die Aktion zu unterstützen. Dieser hat eine leidenschaftliche Solidaritätsbekundung des weltweiten EcoJesuit-Netwerks unseres Ordens verlesen. Darin wird deutlich, dass solche Protestaktionen überall wahrgenommen werden und vor allem den Menschen im Süden Hoffnung geben.
Der Papst ruft weltweit zum Gebet für die Schöpfung auf, reicht das denn: Beten?
Nein, natürlich reicht das nicht, man muss schon auch handeln, aber das tut der Papst ja auch. Mit der Enzyklika Laudato si‘ hat er 2015 ein spektakuläres Zeichen gesetzt für ein dringend notwendiges Umsteuern beim Umwelt- und Klimaschutz in Verbindung mit den tiefen sozialen Ungerechtigkeiten. Mittlerweile ist durchgedrungen, dass er am 4. Oktober den zweiten Teil von Laudato si‘ vorlegen wird. Daran sieht man, dass die Bewahrung der Schöpfung neben dem Thema Armut eine von zwei absoluten Prioritäten dieses Papstes ist.
Wie kann ein Papst, wie kann die katholische Kirche praktisch zur Rettung der Schöpfung beitragen?
Der Papst fordert in seiner Botschaft dazu auf, drei Dinge zu verändern – unsere Herzen, unseren Lebensstil und unsere Politik. Ich finde, das fasst wunderbar die Baustellen zusammen, an denen jeder und jede sich einbringen kann. Die Veränderung der Herzen, eine andere Haltung zur Schöpfung, zu den anderen und zum Schöpfer, ist die Basis, aber diese muss sich in einem veränderten Lebensstil und einer mutigen politischen Beteiligung inkarnieren. Im Allgemeinen setzt dieser Papst bei der Ökologie auf zwei fundamentale Neuerungen. Er weitet ganz stark die Perspektive und bezieht die indigenen Völker mit ein, ganz gleich, welchen Glauben die Menschen haben. Franziskus zitiert sie, schätzt sie sehr wert und ist überzeugt, dass wir westliche Menschen viel von ihnen lernen können. Und zum anderen setzt der Papst auf die Synodalität, das gemeinsame Auf-dem-Weg-Sein der Kirche. Das ist ein enormer Schatz. Von den sozialen Rändern her Transformationsprozesse mitzugestalten, das ist die Devise, die sich der Papst für die Kirche wünscht. Und dabei besteht auch die Chance, dass die Kirche selbst sich wandelt.
Veränderungsprozesse sind immer auch mit Konflikten verbunden. Wie kann man damit als spiritueller Mensch umgehen?
Die klassische Zusammenfassung der ignatianischen Spiritualität als „Kontemplation in Aktion“ spricht mich nach wie vor sehr an und passt auch, wenn es um innere, soziale oder politische Konflikte geht. Kontemplation heißt, in die äußere und innere Wahrnehmung zu gehen, ohne gleich zu urteilen oder zu handeln. Wenn man das einübt, sieht man, dass es tatsächlich unheimlich viele Konflikte gibt: in uns selbst und um uns herum. Die gehen dadurch nicht weg. Aber man kann lernen, immer weniger impulsiv darin zu agieren, sondern bewusst, in innerer Freiheit. Ich denke, man kann auf beiden Seiten vom Pferd fallen, also entweder „zu kontemplativ“ sein, aber faktisch eher eingeschläfert, sodass man die Konflikte wegdrückt. Oder „zu aktiv“, wenn man in impulsiven Aktionismus verfällt und dabei Kopf und Herz verliert. Dann handelt man aus innerer Unfreiheit heraus. Wenn der Papst in Laudato si‘ von einem „kontemplativen und prophetischen Lebensstil“ redet, dann ist das ein zutiefst ignatianischer Ansatz. Beten und politisches Handeln sind dabei eng miteinander verknüpft, und beides soll durchaus „radikal“ sein.
Was meinen Sie mit Radikalität?
Von der Wurzel her. Verwurzelt sein und die Wurzel der Probleme benennen. Es geht darum, nichts zu beschönigen: unsere im Grunde unmögliche Lebensweise, die auf einem todbringenden Wirtschaftssystem beruht, die Nord-Süd-Konflikte, der Konflikt zwischen den Generationen, überhaupt zwischen dem Menschen und der Erde. Propheten sind auch deshalb oft vertrieben worden, weil man ihre Botschaft nicht hören wollte. Aber ich glaube, dass wir heute auch das zentrale christliche Geheimnis, nämlich Ostern, nur verstehen können, wenn wir wahrnehmen, dass wir uns in einer kolossalen Kreuzigung befinden: Die junge Generation und die Schöpfung werden gekreuzigt, und die Umkehr zu Christus heißt heute auch, die hoffnungsvollen Auferstehungszeichen in der Welt zu sehen und dann immer mehr Mitarbeiter Gottes an seinem Weltrettungsprojekt zu werden. Ich denke, wir brauchen Propheten, die uns sowohl die Größe der Herausforderung wie auch die Lust, sich an ihr zu beteiligen, vermitteln, auch wenn es erst mal weh tut.
Zum Abschluss: Was schätzen Sie am meisten an Papst Franziskus?
Seine bildhafte, poetische Sprache. Im Aufruf zum Weltgebet für die Schöpfung spricht er mit dem Propheten Amos von der Gerechtigkeit, die strömen solle wie Wasser, wie ein nie versiegender Bach. Er spricht damit auch ganz einfache Menschen an. Und solche, die nicht katholisch oder nicht einmal Christen sind. Er ist auch in seinem hohen Alter voll anschlussfähig an die junge ökologische Bewegung. Er ermutigt sie und vermittelt Freude, mitzumachen bei dieser epochalen Aufgabe. Das ist genau das Gegenteil der Angst vor Verzicht oder Änderungen, die manche Menschen gegen radikale Klimaschutzpolitik einnimmt.
Interview: Gerd Henghuber
Hier lesen Sie den Gebetsaufruf des Papstes zur Bewahrung der Schöpfung.
Hier finden Sie ein Solidaritäts-Video von P. Pedro Walpole SJ mit den Aktionen in Bayern.