Als der Herzog von Gandía, Ex-Vizekönig von Katalonien, Francisco de Borja (*28. Oktober 1510), einer der Männer, denen Kaiser Karl V. am meisten vertraute, an den Hl. Ignatius schrieb, dass er beschlossen habe, Jesuit zu werden, riet ihm Ignatius von Loyola, diese Entscheidung geheimzuhalten, weil "...die Welt nicht die Ohren hat, um eine so aufsehenerregende Nachricht zu hören".
Der Kaiser hielt die Gesellschaft Jesu für einen neuen Orden, der nur wenig bekannt war und von vielen kritisiert wurde. Dennoch wollte der früh verwitwete Herzog diesen "neuen Aposteln" demütig nachfolgen. Noch in seiner Zeit als Vize-König in Barcelona fiel die päpstliche Bestätigung der Gesellschaft Jesu. Von Freunden des Iñigo de Loyola hörte er von dessen Ruf der Heiligkeit. Bei zwei Jesuiten ging er in geistliche Begleitung: Antonio de Araoz, ein Neffe der Schwägerin des Ignatius, und Peter Faber, einer der ersten Gefährten des Ordensgründers. Borgia nahm sogar direkten Kontakt zu Ignatius auf.
Danach gründete der Herzog von Gandía in seiner Stadt ein Kolleg der Gesellschaft, das sehr bald in eine Universität umgewandelt wurde. Er selbst war 36 Jahre alt, als er sich während der Exerzitien, die er unter der Leitung des Rektors des Kollegs machte, entschied, in den Orden einzutreten (1546). Im Februar 1548 legte er seine feierliche Ordensprofess ab und erhielt vom Papst die Erlaubnis, noch drei Jahre lang über sein Vermögen zu verfügen, um die Zukunft seiner Kinder sicherzustellen.
Sein Fall ist außergewöhnlich, das erkannte Ignatius sehr wohl. Anlässlich des Heiligen Jahres (1550) rief er Borgia nach Rom. Er wollte seine Meinung zu den Konstitutionen der Gesellschaft Jesu einholen, die schon zur Übergabe an die Professen der Gesellschaft - einer von ihnen war Borgia - bereitlagen. Drei Monate verbrachte er im Ordenshaus in Rom; er war noch immer als Herzog gekleidet und wurde von seinem minderjährigen Sohn begleitet; viele römische Adlige und kirchliche Würdenträger zollten ihm ihre Bewunderung und boten ihm eine seiner Würde entsprechende Unterkunft an. Ignatius wollte ihn ausbilden und ihm den Geist und die Ziele des neuen Ordens nahebringen. Als Gerüchte aufkamen, Borgia könnte zum Kardinal ernannt werden (1551), floh dieser in die baskischen Berge, um von dort aus seine Ordensmitgliedschaft als Profess der Gesellschaft Jesu bekanntzugeben, auf allen Besitz zugunsten seiner Söhne zu verzichten, seinen Sohn Carlos als Erben seines Herzogtums einzusetzen, sich zum Priester weihen zu lassen und sich auf die Feier seiner Primiz vorzubereiten.
Vor seiner Flucht aus Rom hatte er einen Geldbetrag hinterlassen, damit ein Kolleg eröffnet werden konnte, das anfangs seinen Namen trug (Collegium Borgia), tatsächlich aber das Römische Kolleg wurde und damit der Vorgänger der heutigen Universität Gregoriana. Er wollte auch die neue Kirche in Angriff nehmen, die Ignatius wünschte (die spätere Kirche "Il Gesù"), die aber erst gebaut werden konnte, als Borgia Generaloberer der Gesellschaft und damit zweiter Nachfolger des Hl. Ignatius wurde. Seine Primiz in Vergara wurde zum Großereignis. Der Andrang der Gläubigen war enorm, um den vom Papst aus diesem Anlass gewährten vollkommenen Ablass zu erhalten. Von da an predigte Borgia ganz im Stil des neuen Ordens in der Umgebung von Oñate und versuchte Ignatius zu überzeugen, aus der dortigen Einsiedelei ein Exerzitienhaus zu machen, um von dort aus durch die Exerzitien apostolisch zu wirken. Weil die Menschen um seine Herkunft wussten und was er aus Liebe zu Gott aufgegeben hatte, machte seine Demut und sein apostolischer Eifer großen Eindruck. An den Höfen Spaniens und Portugals, bei den Adligen und Regierenden Italiens und selbst beim Papst hatte er eine hohe moralische Autorität. In nur wenigen Jahren vervielfachte sich die Zahl der Kollegsgründungen in Spanien und Portugal; hinzu kamen einige Universitäten.
1554 wurde Borgia Generalkommissar für die Ordensprovinzen auf der Iberischen Halbinsel, und während seiner zahlreichen Reisen hinterließ er bei weltlichen und kirchlichen Autoritäten einen großen Eindruck. Er war Beichtvater der Infantin Juana und geistlicher Begleiter des Kaisers, der ihn zu seinem Beichtvater und Testamentsvollstrecker machen wollte. Selbst die Hl. Theresa von Avila vertraute sich ihm an und war von seiner Person und seiner geistlichen Erfahrung beeindruckt. Sowohl Ignatius als auch sein Nachfolger als Generaloberer Diego Laínez schenkten ihm ihr Vertrauen. Er selbst hielt sich allerdings weder für stark genug, um nach Indien zu gehen, noch für ausreichend begabt, um die "Kleinsten zu unterrichten". Sein sehnlichster Wunsch war es, als Märtyrer für die katholische Kirche zu sterben. Um ihn vor den Verdächtigungen der Inquisition in Spanien zu bewahren, ließ Laínez durch Papst Pius IV. nach Rom rufen und machte ihn zu seinem Assistenten für Spanien.
Nach dem Tod von Laínez wurde er zum Generaloberen gewählt. Bei der II. Generalkongregation (1565) stimmten 31 von 39 Mitbrüdern für ihn. Nach seiner Wahl bat er die versammelten Patres, ihn, nachdem sie ihm schon die Bürde aufgeladen hatten, wie ein Lasttier zu behandeln, und küsste ihnen demütig die Füße.
Sieben Jahre leitete er die Gesellschaft Jesu fast zeitgleich mit dem später heiliggesprochenen Papst Pius V., für den er quasi dessen rechte Hand war - sowohl im Umgang mit den getrennten Christen Nordeuropas als auch in der Frage der Missionen. Als während seines Generalats in Rom zweimal die Pest ausbrach, beauftragte ihn Pius V. mit der Sorge und Betreuung der Pestkranken in der Stadt.
Durch seinen Einfluss auf Philipp II. trug er maßgeblich zur Missionierung seines Ordens in Lateinamerika bei. Innerhalb weniger Jahre entsandte er verschiedene Gruppen von Missionaren. Die erste Entsendung, die nach Florida führte, endete mit dem Märtyrertod von P. Martínez; die übrigen Mitglieder der Gruppe mussten nach Kuba und weiter nach Mexiko flüchten. Bei den nachfolgenden Missionsaufträgen in Peru, Brasilien und Mexiko begann sich eine typische Form des Jesuitenmissionars abzuzeichnen: gestützt auf die Kollegien und die dort vermittelten Lehren, sorgten die von Borgia entsandten Missionare für die Gründung der Universitäten von Lima und Mexiko; später kam es dann zur Einrichtung der sogenannten Reduktionen. Der Jesuitengeneral errichtete die Provinzen Peru und Mexiko. Weder der Märtyrertod, den der Sel. Ignacio de Azevedo und seine 39 Gefährten auf dem Weg nach Brasilien durch die Calvinisten erlitten, noch das Martyrium des P. Segura und seiner sieben Gefährten in Florida (1571) entmutigten ihn, sondern entfachten im Orden noch mehr einen missionarischen Eifer.
In der inneren Leitung der Gesellschaft folgte er dem Auftrag der Generalkongregation, die ihn gewählt hatte, und weitete nach und nach und mit Bedacht die Festlegung der Gebetszeit auf die verschiedenen Provinzen der Gesellschaft aus. Er förderte das geistliche Leben und das Gebet im Geist der Exerzitien und in Bezug auf das apostolische Leben der Gesellschaft, für das er selbst Vorbild war, wie man in seinem "Geistlichen Tagebuch" lesen kann. Sein Anliegen war es, dass jede Provinz ihr eigenes Noviziat erhielt und zwar, wenn möglich, getrennt von den Kollegien. Er nahm den Hl. Stanislaus Kostka in die Gesellschaft auf. Er förderte die Ausbildung und den Dienst des Hl. Robert Bellarmin, die Volksmissionen und die Marianischen Kongregationen. Und auch wenn er weiterhin Kollegien gründete bzw. förderte - besonders in Frankreich, den Niederlanden, Deutschland und Polen und sogar die Pläne des Hl. Ignatius für Gründungen in Konstantinopel, Zypern und Jerusalem umsetzen wollte -, vergaß er nicht die Empfehlung der II. Generalkongregation, in den schon weiter entwickelten Provinzen Professhäuser zu errichten.
Auf Wunsch des Papstes begleitete er schließlich den Päpstlichen Kardinallegaten Michele Bonelli bei dessen Verhandlungen mit den Königen von Spanien, Portugal und Frankreich. Vor seiner Abreise ernannte er Jeronimo Nadal zum Generalvikar der Gesellschaft Jesu. Auf der Rückreise zog er sich eine schwere Lungenentzündung zu; zwei Tage nach seiner Ankunft in Rom starb er am 30. September 1572.
Mit Fug und Recht kann Borgia als Vorbild für die umfassende und treue Zusammenarbeit mit dem heiligen Papst Pius V. bei dessen Reformvorhaben in der Leitung der Kirche bezeichnet werden, ganz so, wie es dem Geist des Vierten Gelübdes der Professen der Gesellschaft Jesu entspricht. Als Generaloberer förderte er das Leben der Gesellschaft aus dem Geist der Exerzitien und war ein Vorbild darin, wie das Gebet der apostolischen Sendung ihre tiefste Kraft verleiht.