Am 24.9. fand in der Evangelischen Friedensgemeinde eine ökumenische Andacht statt. Die Andacht stand in Zusammenhang mit dem katholischen Welttag des Migranten und Flüchtlings am 26.9. und dem Tag des Flüchtlings im Rahmen der Interkulturellen Woche am 1. Oktober. Für die Menschen aus der nahegelegenen Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete und die Bewohner*innen aus Eisenhüttenstadt, die an dieser Andacht teilnahmen, war es eine tröstliche und ermutigende Erfahrung.
Die Andacht stand unter dem Thema des Guten Hirten – Gott, der den Menschen nicht alleine lässt, der ihm beisteht und stärkt und zum Leben führen will. Im Kirchraum der Evangelischen Friedensgemeinde waren verschiedene Stationen aufgebaut, die den Psalm 23, den Psalm vom Guten Hirten, plastisch darstellten. Die Teilnehmenden konnten von Station zu Station gehen, die Zusagen des Psalms auf sich wirken lassen und sie mit ihren eigenen Erfahrungen in Verbindung bringen. In einem anschließenden Gespräch stellte ein Geflüchteter die Frage: „Wie kann ich erkennen, dass Gott am Wirken ist?“ Es ergab sich ein Gespräch über die Erfahrungen der Geflüchteten und über das Wirken Gottes in ihrem Leben. Die persönlichen Zeugnisse waren berührend. „Gott hat mich gerettet“, so das Bekenntnis eines Geflüchteten. Im gemeinsamen Gebet fanden die Sorgen und Nöte der Teilnehmenden, wie auch die tiefe Dankbarkeit über Erfahrungen von Gott als dem Guten Hirten ihren Ausdruck. Gestärkt durch die erfahrene Glaubensgemeinschaft kehrten die Teilnehmenden anschießend in ihren Alltag zurück.
Sr. Regina Stallbaumer, die die Andacht mitgestaltet hat, ist Seelsorgerin in der Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt. Derzeit kommen dort überdurchschnittlich viele Geflüchtete an. Neu ist v.a., dass ein beachtlicher Teil der Geflüchtete über Belarus und Polen nach Deutschland kommt. Sie haben auf der Flucht oft Schreckliches erlebt und berichten von Schlägen, von Bissen durch Hunde, davon, dass sie zurückgedrängt und festgehalten wurden. Manche körperlichen Wunden der Flucht sind deutlich sichtbar – andere seelische Wunden zeigen sich erst im Kontakt mit den Geflüchteten. Doch diese schmerzhaften Erfahrungen graben sich z.T. tief in das Gedächtnis der Menschen ein. In Albträumen holen sie sie immer wieder ein. Manche schweigen über ihre Erfahrungen, können oder wollen nicht darüber reden. Anderen hingegen tut es gut, das Schweigen durchbrechen zu können, erzählen zu können, was ihnen widerfahren ist und durch das Sprechen darüber manches ein Stück weit verarbeiten zu können.
Als Seelsorgerin ist Sr. Regina Stallbaumer für diese Menschen da. Sie schenkt ihnen Raum, um Worte zu finden und den Schmerz aussprechen zu können. Manchmal ist es auch der Raum des gemeinsamen Schweigens, der Annahme und des tieferen Verstehens ohne alles im Detail erzählen zu müssen. Und für manche Geflüchtete ist ihr Glaube eine wichtige Kraftquelle. Manche mussten die Erfahrung machen, dass es nicht selbstverständlich ist, die Flucht zu überstehen und sind dankbar, dass sie noch am Leben sind. Und manche deuten diese Erfahrungen aus ihrem Glauben heraus: Gott, der sie durch das finstere Tal geführt hat, wie es im Psalm 23 heißt und Gott, der sie behütet und beschützt. Der Glaube an diesen Gott lässt sie aufatmen und gibt ihnen neue Kraft für den weiteren Weg, der oft herausfordernd bleibt. Die Zusage des Segens Gottes kann für sie dabei eine berührend, heilsam und aufrichtend sein.
Sr. Regina Stallbaumer ist Ordensangehörige der Kongregation der Helferinnen und arbeitet für den Jesuiten-Flüchtlingsdienst. Ihre Stelle wird derzeit durch das Bonifatiuswerk und das Bistum Görlitz gefördert.
Das wichtigste Gebet ist für den Hl. Ignatius das "Examen" oder "Gebet der liebenden Aufmerksamkeit". Er ließ diese "wichtigste Viertelstunde" des Tages niemals ausfallen. Das Gebet, das nur ca. 10 bis 15 Minuten dauert, hilft, die Spuren Gottes im eigenen Leben besser zu entdecken und das eigene Leben aufmerksamer mit und vor Gott zu leben. Wenn man dieses Gebet regelmäßig pflegt, verhilft es einem, das eigene Leben wahrhaftig und ehrlich anzuschauen und es so vor Gott da sein zu lassen, wie es war - ohne es zu bewerten, zu verurteilen oder zu verdrängen oder zu beschönigen, und es mit dem Blick zu sehen, mit dem Gott auf mich schaut: mit Liebe und Erbarmen.
Flüchtlinge
Der Dienst am Glauben und die Förderung der Gerechtigkeit bilden den Kern der Sendung des Jesuitenordens. Zu dieser Neubesinnung nach dem II. Vatikanischen Konzil hat wesentlich der Generalobere P. Pedro Arrupe SJ beigetragen, für den als Zeugen des Atombombenabwurfs in Hiroshima der Dienst an den Leidenden ganz im Mittelpunkt stand. Als Jahrzehnte später die vietnamesischen "Boat-People" auf klapprigen Booten und Flößen ihr Land verließen, aber kein Land die Flüchtlinge aufnehmen wollte, rief P. Arrupe den Orden und seine Partner zur konkreten Hilfe auf und startete eine weltweite humanitäre Solidaritätsaktion. Daraus entstand im November 1980 der Jesuiten-Flüchtlingsdienst (Jesuit Refugee Service).
JRS
Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst (Jesuit Refugee Service, JRS) wurde 1980 angesichts der Not vietnamesischer Bootsflücht-linge gegründet. Nach dem Selbstverständnis des Ordens gehört die Förderung der Gerechtigkeit notwendig zum Dienst am Glauben. Entsprechend diesem Auftrag begleitet der JRS Flüchtlinge und Migranten, kümmert sich um sie wie um Freunde und tritt für ihre Rechte ein. Weltweit ist der JRS in mehr als 50 Ländern tätig. In Deutschland, Österreich und in der Schweiz setzt er sich seit 1995 für Flüchtlinge und Migranten ein, besonders für Menschen in der Abschiebungshaft, Flüchtlinge im Kirchenasyl, "Geduldete" und Menschen ohne Papiere. Schwerpunkte unserer Arbeit sind Seelsorge, Rechtshilfe und politische Fürsprache.