Bild 1: JRS / Martina Schneider

Bedeutsame Begegnung

Im Accompany Projekt unterstützt der Flüchtlingsdienst JRS Geflüchtete auf ihrem Weg in die Gesellschaft. Persönliche Beziehungen helfen dabei. Und der Zufall, der auch Osama und Pater Breulmann SJ zusammenbrachte.

Von Hermann Breulmann SJ

Wir liefen uns an Heiligabend 2022 vor dem Flüchtlingsdienst JRS in der Witzlebenstraße über den Weg. Frau Geffke, Leiterin des Accompany Projekts, stellte uns kurz vor, wir gingen dann verschiedene Wege, ich in die Kommunität der Jesuiten, Osama zum Weihnachtsessen im JRS. Es gab das flüchtige Gefühl, dass wir uns vielleicht noch einmal sehen würden, mein schnell gemachtes Versprechen, beim Deutschlernen zu helfen. So ist das mit Versprechen: Sie holen einen ein! Wir beide hatten das nicht vergessen. Wir kamen darauf zurück!

Die Geschichte der Einlösung eines Versprechens

Osama nahm mein Versprechen ernst. So ist das mit Versprechen: Sie binden beide Seiten. So begann die Geschichte der Einlösung eines Versprechens. Wir trafen uns dann regelmäßig zum Deutschunterricht. Es war eine Mischung aus Sprachpraxis und Grammatik. Weiterhin schickte Osama mir Mails, die ich dann korrigierte. Ich lernte somit indirekt viel von ihm, seiner Familie und seinem bisherigen Leben kennen.

Geboren und aufgewachsen im Jemen, die Erfahrung des Bürgerkriegs. Dann erhielt er ein Stipendium für Mechatronik in China. Dort wurde er von der Pandemie überrascht. Das bedeutete Isolation, nur digitales Studieren, die chinesische Sprache allein verbessern, das Essen wurde ihm vor die Tür gestellt. Hätte ich das durchgestanden, frug ich mich oft?

Dann ein neues Abenteuer, die Reise nach Berlin, nach Deutschland. Der Kampf mit den Behörden in einem neuen fremden Land begann. Er fand eine Insel in dieser Situation, den Jesuiten-Flüchtlingsdienst JRS. Neue Perspektiven der Hoffnung eröffneten sich. Hier fand er ein kleines Zuhause neben der Flüchtlingsunterkunft und konkrete Hilfe.

Stolz schickte er mir das erste Foto in einem Arbeitsanzug

In Rechtsfragen, Orientierung im Dschungel der Behörden, die Ermutigung, seinen Traum einer Ausbildung als Mechatroniker nicht aufzugeben. Dank dieser Hilfe wurden die Hürden genommen, bis er einen Ausbildungsplatz in einer Schule und einem Unternehmen fand. Stolz schickte er mir das erste Foto von sich, bekleidet mit einem Arbeitsanzug seiner Firma. Er hatte im JRS eine Mentorin gefunden, Madeleine, die ihn begleitete in dem Auf und Ab des Lebens. Nicht zuletzt auch den zum Deutschlehrer gewordenen Pater Hermann.

Ich bewunderte seine Disziplin, seinen regelmäßigen Kontakt zu seinen Eltern in Sanaa, seine Lebensgestaltung als gläubiger Moslem mit den täglichen Gebetszeiten bei sich im Zimmer. Ich habe viel von ihm gelernt. Seine fröhliche Zufriedenheit trotz mancher Enttäuschungen bei der Wohnungssuche, seine Art, auch mit seinem Heimweh und seiner Traurigkeit diskret umzugehen. Wir spürten beide, was uns innerlich jeweils bewegte, ohne große Worte. Ich entdeckte die Kraft, sich mitzufreuen, Anteil zu nehmen an dem, was das tägliche Leben so mitbrachte.

Aus dem Zufall wurde die Geschichte einer Freundschaft

Nun geht er seinen Weg, aus dem Zufall des Anfangs wurde die Geschichte einer Freundschaft. Eine solche Geschichte ist nicht planbar, sie ist nicht selbstverständlich, aber möglich. Ich habe gelernt, den Reichtum der Migranten für unser Land und für mich persönlich zu entdecken. Eine Haltung der Gegenseitigkeit einzuüben, nicht sofort sich in die Probleme und Schwierigkeiten zu verbeißen - eine Chance auch für mich in diesem Fall. Im religiösen Bereich haben wir dafür ein Wort: Gnade. Eine Prise Leichtigkeit, Heiterkeit und das Vertrauen, dass uns manchmal etwas in den Schoß fällt, ohne es geplant zu haben. Für diese Erfahrung bin ich dankbar, wem eigentlich?

Autor:

Hermann Breulmann SJ

Hermann Breulmann ist 1974 in den Jesuitenorden eingetreten. Er war Hochschulseelsorger in Hamburg und von 1986 bis 1994 Geistlicher Rektor im Cusanuswerk. Von 1996 bis 2000 war er Rektor des Canisius-Kollegs in Berlin, von 2000-2003 Rektor des Berchmanskollegs in München, dann Kirchenrektor in St. Michael in München (bis 2010) und geistlicher Rektor der katholischen Akademie in Hamburg und Hochschulseelsorger in Berlin. Anschließend lebte er in Osnabrück und arbeitete mit im Team der „Gemeinde Kleine Kirche“ und im Domforum. Seit 2022 ist Pater Breulmann im Ignatiushaus in Berlin, wo er seelsorgliche Aufgaben übernommen hat.

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