"Was machst du eigentlich, wenn du sagst, dass du wieder so ein 'Experiment' machst?", die Frage höre ich oft von Freunden, wenn ich erzähle, was man in so einem Jesuitennoviziat eigentlich tut. Fünf sogenannte Experimente hat der Ordensgründer Ignatius für die Novizen der Jesuiten empfohlen. Es sind eine Art Praktika, in denen wir aus der Zurückgezogenheit des Noviziatshauses in konkrete Arbeitsfelder hinausgeschickt werden; ich umschreibe sie am liebsten mit Grenzerfahrung. Für mich bedeuten diese Zeiten, dass ich zu Grenzen meiner bisherigen Lebenswirklichkeit hingeführt werde - an Orte, die oft nicht unbedingt "angenehm" sind. Das ist einerseits ziemlich herausfordernd, andererseits aber - wenn man sich darauf einlässt - unglaublich bereichernd.
Von dieser Perspektive der Grenzerfahrung aus möchte ich mich auch an einige Aspekte meines Sommerexperiments annähern, das ich im Kosovo verbringen durfte:
Am 22. Juni überquerte ich die EU-Außengrenze Richtung Südosten. Dort wo Prosperität und materieller Wohlstand plötzlich deutlich abnehmen, türmen sich auch die Mauern in den Köpfen vieler auf, die von der "Festung Europa" sprechen - und eigentlich nur die EU meinen. Die zwei Stunden Wartezeit an der politischen Grenze waren für mich das deutliche äußere Zeichen, dass jetzt etwas Neues kommen wird, dass ich in eine ungewohnte Umgebung kommen werde.
Nach 30 Stunden Busfahrt erreichte ich das Loyola-Gymnasium in Prizren und wurde von den Mitbrüdern dort herzlich aufgenommen. Die Schule ist eine der besten des Landes, wurde von Jesuiten gegründet und ist seitdem unter jesuitischer Leitung. Am folgenden Tag war ich das erste Mal in Tranzit, jenem Ashkali-Viertel, das nur fünf Autominuten von dieser Eliteschule entfernt ist. Welten trennen diese beiden Orte voneinander. Auf der einen Seite das 15-jährige Ashkali-Mädchen, das schon seit Jahren nicht mehr in die Schule geht, um ihrer Mutter beim Müllsammeln zu helfen, auf der anderen Seite die motivierten Schüler, die nach dem Abschluss ein Studium in Deutschland oder den USA anstreben. Diese tiefe soziale Grenze sollte ich in den folgenden Wochen mehrmals täglich überqueren und sie beginnt zu zerbröseln infolge des wunderbaren Austauschprojektes, das von Moritz und Tomislav, zwei junge Jesuiten, gestartet wurde und in dem ich mitarbeiten durfte.