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"Miteinander beten ist deutlich einfacher"

Am Collegium Germanicum et Hungaricum in Rom, an dem Priester für mehrere europäische Länder ausgebildet werden, besteht seit einigen Jahren ein ökumenischer Arbeitskreis zwischen den katholischen Seminaristen und evangelischen Theologiestudenten. P. Gernot Wisser SJ ist Rektor des Kollegiums und berichtet zur Gebetswoche für die Einheit der Christen von seinen Erfahrungen: Wie sieht Ökumene hier konkret aus und wie kann sie funktionieren?

1986 gründete sich im Collegium Germanicum et Hungaricum ein ökumenischer Arbeitskreis aus interessierten Seminaristen. Schon einige Jahre zuvor wurde mit den ökumenischen Gottesdiensten in der Woche für die Einheit der Christen begonnen, bei denen sich der Ort (Germanikum, Anima und Christuskirche) sowie die jeweiligen Prediger abwechselten. Der ökumenische Arbeitskreis hat sich in der Mitte der 90er Jahre verändert, weil man nun mit evangelischen Christen aktuelle Themen besprach.

Heute ist der Arbeitskreis ein Pflichtprogramm für die Evangelischen, die auf Einladung des Melanchton-Zentrums für ein Jahr nach Rom kommen und hier Theologie oder Kunstgeschichte studieren. Für die Studenten im Germanikum ist dies ein freiwilliges Engagement, wobei manche sich auch wissenschaftlich mit ökumenischen Fragen beschäftigen – entsprechend ungleich sind die Vorkenntnisse. Natürlich ist auch die Motivation unterschiedlich: die einen müssen, die anderen wollen. Die Studenten im Germanikum machen im Schnitt drei Jahre mit, die Evangelischen wechseln jährlich. Damit ist auch die Kontinuität unterschiedlich, was zur Folge hat, dass jedes Jahr die gleichen Themen behandelt werden, eben jene, die die Evangelischen an den Katholiken interessieren. Es sind evangelische Studenten und Studentinnen, die sich mit den Germanikern treffen. Diese wiederum sind fast nur deutschsprachig, denn in Kroatien gibt es kaum Evangelische (0,3%) dafür serbisch Orthodoxe (4,4%), in Ungarn gibt es wenige lutheransche (2,2%) und deutlich mehr calvinistische Christen (11,6%), in der Slowakei und in Slowenien gibt es wenige evangelische Christen (6% bzw. 1%). Daher ist die Ökumene für viele nichtdeutschsprachigen Studenten, die machen jedoch 4/5 im Kolleg aus, nicht besonders interessant. Manche nutzten den Arbeitskreis auch, um sich in der deutschen Sprache zu üben.

Ökumene braucht unterschiedliche Geschwindigkeiten und Ausrichtungen

Am Beginn dieses akademischen Jahres haben wir einige Änderungen durchgeführt, die bis jetzt den Arbeitskreis positiver erscheinen lassen. Die Treffen werden mit gemeinsamem Gebet gerahmt, die Moderation der Gespräche ist strukturierter und wir haben die Schieflage der Gastfreundschaft (im Germanikum gibt es alles und das umsonst) beseitigt, was vor allem bei uns im Haus in den letzten Jahren zu verstärktem Unmut führte. Ein Beispiel: Der Arbeitskreis war zur Siebenkirchenwallfahrt eingeladen, die Evangelischen wollten nicht in einer eigenen Gruppe gehen, sondern mit unsere Studenten, um beispielsweise zu lernen, wie man Rosenkranz betet. Die Germaniker ihrerseits wollten jedoch exklusiv in ihren Spiritualitätsgruppen die Wallfahrt machen, um sie für gemeinschaftliches Gebet und persönlichen Austausch zu nutzen und nicht, um als Tutoren für die Evangelischen auftreten zu müssen.

Fazit: Je ungleicher die Gruppen, desto schwieriger lässt sich über Ökumene reden. Letzten Sonntag gab es einen ökumenische Vesper in der Anima. Miteinander beten ist deutlich einfacher. Vielleicht sollten wir uns daran gewöhnen, dass Ökumene je nach Region unterschiedliche Geschwindigkeiten und Ausrichtungen braucht. Gleiche Beziehungen in Intensität und Inhalt zur protestantischen Tradition wie zur orthodoxen zu halten wird auf weltkirchlicher Ebene zum Spagat. Das wird auch in der ganz unterschiedlichen Rezeption von "Fiducia supplicans" durch die anderen christlichen Kirchen deutlich.

Autor:

Pater Wisser wurde 1956 im oberösterreichischen Mondsee geboren und wuchs in Wien auf. Vor seinem Eintritt ins Wiener Priesterseminar 1991 und in den Orden 1992 arbeitete er als Architekt für die niederösterreichische Landesregierung. Von 2008 bis 2014 war Wisser Provinzial der österreichischen Jesuiten. Seit September 2015 war er Universitätspfarrer in Innsbruck. Seit 31. Juli 2021 ist er Rektor des traditionsreichen "Pontificium Collegium Germanicum et Hungaricum", kurz: Germanicum, in Rom.

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